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HANSA 11-2021

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SCHIFFFAHRT | SHIPPING

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Schifffahrt und Wasserstoff brauchen sich Beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland bescheinigt eine Studie der Schifffahrt großes Potenzial. Angesichts des Energiebedarfs des Landes wird sie für einen wirtschaftlich tragfähigen Import sogar dringend benötigt Die durch das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) beauftragte Studie »Die Rolle der maritimen Wirtschaft bei der Etablierung einer deutschen Wasserstoffwirtschaft« ergründet vor dem Hintergrund der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der europäischen Wasserstoffstrategie sowie der norddeutschen Wasserstoffstrategie und des deutschen Klimaschutzgesetzes, wie der Umstieg gelingen könnte. Die Studie zeigt, dass die Bedarfe für Wasserstoff sowie PtX-Energieträger (Power to Gas, Power to Liquid) in Deutschland für die kommenden Jahrzehnte drastisch steigen werden. Die Windenergie in deutschen Küstenregionen (onshore und offshore) würde mit der heute installierten Nennkapazität von 30,2 GW ausreichen, um etwa 64 TWh grünen Wasserstoff pro Jahr durch Elektrolyse herzustellen. Das wäre prinzipiell ausreichend, um den derzeitigen deutschen Bedarf an fossilem Wasserstoff zu ersetzen. Da diese Nennkapazität allerdings bereits für die Erzeugung von Strom zur direkten Nutzung benötigt wird, steht sie für die Herstellung grünen Wasserstoffs – wenn überhaupt – nur in eingeschränktem Maße zur Verfügung. Hierfür werden folglich zusätzliche Kapazitäten benötigt. Um allerdings den für 2045 (deutsches Zieljahr für Treibhausgasneutralität) prognostizierten Bedarf an regenerativem Strom inländisch allein durch Offshore-Windkraft zu decken, wären zusätzliche Offshore-Windparks auf einer Fläche der Größe Mecklenburg- Vorpommerns erforderlich, was von der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee bei weitem nicht gedeckt werden kann. Auch bei größtmöglichem Ausbau aller regenerativen inländischen Stromerzeugungsarten bleibt ein signifikanter Importbedarf. Die inländische Erzeugung sollte sich der Studie zufolge auf die Generierung von Wasserstoff für die Direktnutzung konzentrieren, da dessen Transport über große Entfernungen durch seine geringe volumetrische Energiedichte gegenüber PtX-Energieträgern deutlich aufwendiger ist. Um die Deckung der Bedarfe an Wasserstoff und PtX-Energieträgern zu gewährleisten, könnten Schiffstransporte im Vergleich zu Pipelines konkurrenzfähig sein – und mit zunehmender Transportentfernung immer konkurrenzfähiger werden. Während Pipelines eine Festlegung auf ein Exportland, Transferländer und damit langfristige politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten sowie Risiken bedeuten, sind Schiffstransporte flexibel in der Auswahl des Exportlandes. Der Transport wird umso günstiger, je höher die Energiedichte des Energieträgers ist. Für synthetisches Methan, synthetisches Methanol und E-Crude existieren die notwendigen Transporteinheiten bereits, nämlich die heute üblichen LNG- und Rohöltanker. Auch synthetisches Ammoniak als Flüssiggas kann in einer ersten Phase mit den existierenden Schiffen transportiert werden. Im Bereich Wasserstoff allerdings gibt es derzeit weder Tankschiffe für Flüssigwasserstoff (LH2) mit den benötigten Kapazitäten, noch ist die Technologie zum Bau großvolumiger LH2-Schiffstanks verfügbar. Überdies fehlen die notwendigen Verflüssigungsanlagen für Wasserstoff, die derartige Tanker in angemessener Zeit beladen könnten. Erste Pilotprojekte mit kleinen Wasserstofftankern bieten nur unzureichende Transportvolumina. Die Rolle der Häfen Für die deutschen Häfen ist zunächst von zentraler Bedeutung, die zu erwartenden Importmengen von Wasserstoff und PtX- Energieträgern fundiert abzuschätzen. Darauf aufbauend muss untersucht werden, welche Import-Infra- und Suprastrukturen wie Terminals, Lagerkapazitäten und Hinterlandanbindungen benötigt werden, um die erwarteten Mengen zu importieren. Beim Import in den Häfen ist der Umschlag, die Lagerung und die Verteilung bei den PtX-Varianten der etablierten fossilen Energieträger wie E-Crude und synthetisches Methan am einfachsten. Hier kann die bestehende Infrastruktur für die fossilen Pendants wie Raffinerien, Tankstellennetz, Erdgas-Verteilernetz etc. direkt weitergenutzt werden. Dagegen sind die derzeit existierenden Strukturen für synthetisches Methanol oder synthetisches Ammoniak nur geeignet, um die aktuell geringen Bedarfe Für manche Wasserstoffderivate können heute existierende Schiffe genutzt werden – für Wasserstoff fehlen sie noch 28 HANSA – International Maritime Journal 11 | 2021

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Abstract: Shipping and hydrogen need each other The creation of a hydrogen economy holds great opportunities for the German maitime industry. While hydrogen and hydrogen derivatives will be incremental for decarbonizing the sector itself, shipping as a transport mode will be needed to funfil Germany’s future energy import needs as domestic green power capacity will not suffice. zu decken – für Importe in großem Rahmen reichen sie nicht aus und müssen erheblich erweitert werden. Die größten Defizite bestehen für den Import von Wasserstoff – hier existieren in Deutschland derzeit keine nennenswerten Infraund Suprastrukturen, so dass diese von Grund auf erstellt werden müssen. Auch daher die Empfehlung, die inländische Erzeugung regenerativer Energieträger hauptsächlich auf Wasserstoff für die Direktnutzung zu konzentrieren. Weiterhin ist eine Überarbeitung oder Erweiterung der bestehenden international gültigen Regularien erforderlich, um Importe und Anwendungen von Wasserstoff und PtX-Energieträgern im maritimen Bereich zu ermöglichen. Internationale Partnerschaften Die Analyse der weltweiten Hotspots der Wasserstofftechnologien hat gezeigt, dass viele Länder über Afrika, den Mittleren Osten und Australien hinaus Export- Ambitionen haben. Um eine langfristige Versorgungssicherheit mit Wasserstoff und PtX-Energieträgern zu garantieren, sind politische und wirtschaftliche Anstrengungen notwendig, um Energiepartnerschaften mit strategisch günstigen Wasserstoffexportländern aufzubauen und entsprechende Kapazitäten zu sichern. Der mit den deutschen Seehäfen in Konkurrenz stehende Hafen Rotterdam habe bereits mehrere direkte Partnerschaften zur Deckung der Nachfrage geschlossen, so ein Hinweis in der Studie. Grundsätzlich sollte ein diversifizierter Ansatz gewählt werden, bei dem Partnerschaften mit unterschiedlichen Ländern abgeschlossen werden, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Da auch andere Länder die Dekarbonisierung und den Aufbau einer Wasserstoffgesellschaft forcieren und daher eine weltweite Konkurrenz von auf den Import von klimaneutralen Energieträgern angewiesenen Ländern besteht, müssten insbesondere die politischen Handlungsempfehlungen der Studie so schnell wie möglich umgesetzt werden. Gerade in den Bereichen der Regulatorik, dem Abschluss von Energiepartnerschaften und dem Aufbau von Import-Infra- und Suprastrukturen müssten politische Entscheidungen im Hinblick schnellstmöglich getroffen werden, damit ein zukunftsfähiger Wasserstoffmarkt etabliert werden kann, Energieträger in der benötigten Menge importiert werden können und die Ziele der Dekarbonisierung zum Erfolg geführt werden, heißt es. Wasserstoff-Anwendungen Für maritime Anwendungen sollten alle Optionen technologieoffen bedacht werden, so die Empfehlung der Studie. So sollten sowohl Verbrennungsmotoren als auch der Einsatz von Brennstoffzellen untersucht werden, um die Anwendungsgebiete zu bestimmen, in denen die Antriebskonzepte jeweils eingesetzt werden können. Neben PtX-Energieträgern wie aus E-Crude erzeugtem synthetischem Dieselkraftstoff sowie synthetischem Methanol und synthetischem Ammoniak sollte auch der direkte Einsatz von Wasserstoff Untersuchungs und Erprobungsgegenstand sein, um mit allen Technologien für die verschiedenen Einsatzgebiete die jeweils beste Option zu identifizieren. Für neue Treibstoffe, die in der Schifffahrt zum Einsatz kommen, sind Anpassungen der bestehenden oder der Aufbau neuer Bunkerstrukturen erforderlich. Zwar können synthetisches Methan, synthetisches Schweröl und synthetischer Dieselkraftstoff ohne Anpassungen in bestehende Bunkerkonzepte eingefügt werden, Kraftstoffe wie synthetisches Methanol und synthetisches Ammoniak erfordern aber bereits erhebliche Anpassungen der Bunkerstrukturen. Flüssigwasserstoff indes erfordert ein vollständiges neues Bunkerkonzept und die Errichtung spezialisierter Infra- und Suprastruktur und damit umfassende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten Fazit: Der Ausbau erneuerbarer Energien für die maximale Elektrolysekapazität, die Schaffung politische Rahmenbedingungen und die Vereinbarung von Energiepartnerschaften müssen so bald wie möglich angegangen werden. fs HANSA – International Maritime Journal 11 | 2021 29

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