Schifffahrt | Shipping »Die Transportkosten müssen steigen« Während sich die Schifffahrt noch gegen die EU-Beschlüsse zum Emissionshandel wehrt, finden wichtige Branchenakteure grundsätzlich einen CO2-Preis sinnvoll. Dabei soll dieser nicht zu niedrig ausfallen. Von Felix Selzer So der Tenor der diesjährigen Seadevcon 2020, die Industrie- und Klimaschutzinteressen zusammenbringt. Annika Rittman von der Klimabewegung Fridays for Future betonte zum Auftakt der Konferenz, die im Rahmen der Hamburger Klimawoche stattfand, dass die Schifffahrt – wenn auch nicht prominent in der Kommunikation – durchaus im Visier der Bewegung sei. Die Einbindung der Branche in den europäischen Emissionshandel sei »ein richtiger Schritt, es reicht aber noch nicht«. Kritik an regionalen Alleingängen ließ sie nicht gelten. Die IMO habe in den letzten Jahrzehnten zu langsam gehandelt. Cornelius Bockermann, Kapitän und Gründer des Frachtseglerprojekts »Avontuur« erklärte, man müsse weniger verbrauchen und zu mehr lokaler Produktion zurückkehren. »Wir müssen verstehen, dass wir Teil eines komplexen und sehr fragilen Systems – der Natur – sind.« Dabei habe die Wirtschaft ihren Teil auf der technologischen Seite zu leisten, zudem brauche es »politische Aktion, nicht nur Intention«. Moderator Wolf Scheder-Bieschin, machte anhand jüngster IMO-Zahlen deutlich, dass das Transportvolumen in der Schifffahrt in den letzten Jahren immer nur weiter angewachsen sei. Während beispielsweise die Autoindustrie stark reguliert werde, geschehe das in der Schifffahrt kaum. »China, Singapur oder Kalifornien werden reagieren, bevor die IMO sich bewegt« Dirk Lehmann, Becker Marine Systems Annika Rittmann von Fridays for Future fordert weniger Seetransport Otto Schacht von Kühne + Nagel meint, Transporte seien viel zu billig Christian Oldendorff hält eine CO2- Besteuerung in der Schifffahrt für nötig © Seadevcon Wolfram Guntermann, Director Regulatory Affairs Fleet bei Hapag-Lloyd, warb als kurzfristige Maßnahme zur CO2- Reduktion für Landstrom. Als Beispiel nannte er Kalifornien mit schon 2014 in Kraft getretenen Vorschriften zur Landstromnutzung in Häfen wie Long Beach, Los Angeles und Oakland, die möglicherweise schon in drei Jahren 100% Landstromnutzung verlangen. Der Ausbau der Infrastruktur im Hafen und im Stromnetz sei komplex, aber Kalifornien zeige: »Yes, we can«, so Guntermann. Auch in China gebe es diesbezüglich Bewegung. Monique Giese, Global Lead Shipping bei der Beratungsfirma KPMG, berichtet aus Gesprächen mit Kunden, dass der Druck zur Nachhaltigkeit mittlerweile »von allen Seiten« komme. Die Frage sei, wie Klimaschutz zu einem Wert werden könnte. Es brauche mehr Regularien, um den Klimaschutzvoranzubringen. »CO2-Regelungen werden auch auf IMO- Ebene kommen«, so Giese. »Und die neue Guidance der deutschen Bankenaufsicht Bafin wird dafür sorgen, dass Banken die Nachhaltigkeit bei Finanzierungen einpreisen. Transport wir teurer werden und das muss auch so sein.« Damit CO2-Zuschläge von den Kunden angenommen werden, helfe Transparenz. »Intransparenz war bisher ein Teil des Geschäftsmodells, das wird sich ändern«, sagte sie. »In 30 Jahren wird es keine Bulkschifffahrt mehr geben« Otto Schacht, Kühne+Nagel »Die Kunden müssen wissen, welche Emissionen der Schiffstransport verursacht, es braucht Aufklärungsarbeit«, pflichtete Otto Schacht, Seefrachtchef bei Kühne+Nagel bei, »die Schifffahrt verursacht 3 Mio.t CO2-Emissionen pro Tag.« Die Kunden stünden selbst unter großen Druck, transparent zu sein. Kühne+Nagel kläre sie über Alternativen auf, wobei man auch hier LNG nur als Zwischenlösung sehe. Daher führe das Logistikunternehmen Gespräche mit Reedereien wie CMA CGM und Hapag-Lloyd zum Thema Biokraftstoff. Der sei noch sehr teuer, ein Container von Schanghai nach Rotterdam könne sich mit Biofuel-Option von 2.000 $ auf 3.000 $ verteuern. Der Aufpreis aber für den Verbraucher wäre kaum bemerkbar. Dirk Lehmann vom Hamburger Technologieunternehmen Becker Marine Systems (BMS) betonte, man dürfe über CO2 die anderen Luftschadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide oder Schwefel nicht vergessen. Er hält LNG derzeit für das maximal umsetzbare, was die Großschifffahrt angeht. Lehmann kann sich einen Carbon-Cycle vorstellen, bei dem an Bord anfallendes CO2 abgesaugt, gespeichert und an Land aufbereitet wird. 34 HANSA – International Maritime Journal 11 | 2020
Schifffahrt | Shipping Abstract: »Transport costs must increase« Wide parts of the shipping sector are still voicing their concerns over the European Parliament’s decision to include shipping in the EU’s emissions trading scheme. Others argue that transport costs are far too low today. Kühne + Nagel’s head of ocean freight thinks that 1,000 $ extra per TEU wouldn’t hurt. In the end, consumers, not carriers, would pay the premium that would hardly be noticable in retail prices, he said during Seadevcon in Hamburg. While a global regulation on carbon pricing would be ideal, there was some consensus that the slow IMO could use a little nudge from regional »solo efforts«. BMS will demnächst im Hamburger Hafen eine CCS-Anlage (Carbon Capture and Storage) aufstellen. Er appellierte an Regierung und Behörden in Deutschland, die eigenen Flotten emissionsfrei zu machen: »Das ist technisch machbar und es sind Peanuts im Vergleich zu den Hilfen in der Corona- oder der Finanzkrise.« Reeder und Investor Christian Oldendorff zeigte sich per Video zugeschaltet »so optimistisch wie noch nie«. Eine CO2-Besteuerung in der Schifffahrt ist seiner Ansicht nach nötig. »Es gibt keine günstigere Variante für Firmen, um CO2 einzusparen als über die Lieferkette, wo bis zu 90% der Emissionen anfallen«, so Oldendorff. Auf Charterer-Seite sei derzeit »Carbon Accounting« das wichtigste Thema. Sein eigenes Unternehmen beschäftige sich mit Windkraft, Wasserstoff und Ammoniak und habe bereits im Rahmen des EU-Horizon-Programms für ein Zero-Emission-Projekt 10 Mio. € beantragt. »Wenn das klappt, wird auch das Thema ›Zero Emission Ship‹ ganz schnell sehr ernst für uns«, sagte er. Fridays-for-Future-Sprecherin Rittmann sprach sich nochmals für einen CO2-Preis aus. »Wir zahlen für alles, nur nicht für das, was wir von der Natur nehmen. Aber auch das muss seinen Preis haben.« Die Klimaaktivisten befürworten eine CO2-Steuer gegenüber dem Emissionshandel. Zudem müsse das Volumen der Transporte verkleinert werden. Schacht stimmte dem grundsätzlich zu, differenzierte aber nach Segmenten. Denn von der 1 Mrd.t an CO2-Emissionen, die die Schifffahrt global jedes Jahr verursache, stammten 200 Mio. t aus der Container-, rund 600 Mio. t aus der Bulkschifffahrt. Angesichts der nötigen Abkehr von Öl und Kohle zur Energiegewinnung erklärte er: »In 30 Jahren wird es keine Bulkschifffahrt mehr geben. Das sage ich allen, die heute solche Schiffe betreiben.« »Es ist ein Schritt hin zum Verursacherprinzip, von dem die Schifffahrt bisher ausgenommen war« Jutta Paulus, Europäisches Parlament Ansonsten müsse man genau schauen, was man weniger transportiere. In einer globalisierten Welt müsse man darauf achten, nicht Menschen daran zu hindern ihre Lebensstandards zu heben. Richtig sei aber: »Die Transportkosten sind viel zu niedrig. Wenn die Frachtrate pro Container um 1.000 $ höher läge, würde der Endkonsument das nicht merken. Die Schifffahrt würde am wenigsten vom CO2-Preis merken, das zahlt der Endkonsument.« 25 $/t halte er für zu wenig, »auch 100 $ würden wir nicht merken.« Weitgehend Einigkeit herrschte auf dem Podium zwar, dass letztlich eine Regelung auf IMO-Ebene das Ziel sein müsste, dennoch gab es auch Verständnis für die Position von Rittmann, die bekräftigte: »Es reicht nicht, auf die IMO zu warten. Internationale Standards werden kommen, wenn wir auf EU-Ebene anfangen.« Dem pflichtete Lehmann bei. In den nächsten Jahren würden auch andere Weltregionen wie China, Singapur oder Kalifornien reagieren, »bevor die IMO sich bewegt«. Das EU-Vorgehen zu verteidigen war Aufgabe von Jutta Paulus, Berichterstatterin des Europäischen Parlaments. Sie ließ die Kritik, schon in der Luftfahrt habe der Emissionshandel keinen positiven Effekt auf die Emissionsentwicklung gehabt, nicht gelten. Während man in der Luftfahrt an internationale Abkommen gebunden sei, unterlägen Schiffe den Gesetzen der jeweiligen Hafenstaaten. »So laufen wir nicht wie in der Luftfahrt Gefahr, in eine Erpressungssituation zu kommen«, erklärte Paulus. Auch den Industrievorschlag, bei der IMO einen Innovationsfonds einzurichten, finanziert durch eine Bunkerabgabe, sieht sie. Die EU erwarte durch den Emissionshandel Einnahmen von 3,5 bis 4Mrd. €, davon sollen 50% in einen Innovationsfonds fließen, das sei am Ende mehr als der IMO-Topf. Paulus: »Es ist ein Schritt hin zum Verursacherprinzip, von dem die Schifffahrt bisher ausgenommen war.« n email: sales@headwaytech.com | http://en.headwaytech.com | TEL: (86) 532 8310 7817 email: sales@headwaytech.com | http://en.headwaytech.com | TEL: (86) 532 8310 7817 HANSA – International Maritime Journal 11 | 2020 ENWA Water Technology represents Headway’s BWMS in Norway and Germany http://en.headwaytech.com ENWA Water Technology represents | http://www.enwa.com Headway’s BWMS in Norway and Germany http://en.headwaytech.com | http://www.enwa.com 35
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