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HANSA 10-2024

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Ein Konzept für ein

Ein Konzept für ein FNPP – ein Floating Nuclear Power Plant © Core Power Mit Blick auf die Zukunft eignen sich bestimmte fortschrittliche Reaktortypen für den Antrieb und die Hotellast von nuklearelektrischen Schiffen. Diese Schiffe könnten schneller und länger fahren und dabei mehr Ladung transportieren als herkömmliche Schiffe und keine Treibhausgase ausstoßen. Da der Reaktor während der Liegezeit »immer eingeschaltet« ist und der Brennstoffvorrat eingelagert ist, könnten diese nuklear betriebenen Schiffe potenziell wie Kernkraftwerke funktionieren und den Hafen mit sauberem Strom versorgen. Dieses Konzept des »umgekehrten Cold Ironing« würde, wenn man so will, Änderungen der Infrastruktur am Liegeplatz und im Hafen sowie die Ausarbeitung kommerzieller Vereinbarungen für den Stromverkauf oder vielleicht Rabatte auf die Hafengebühren erfordern. Diese Veränderungen sind zwar bedeutsam, aber im Vergleich zur Umstellung der jahrhundertealten Versorgungssysteme für fossile Brennstoffe relativ gering. Besteht ein Bedarf an weiteren Anpassungen der Schiffstechnologie, wenn ein nuklearer Antrieb eingesetzt wird? El-Shanawany: In der Tat eröffnet der Übergang von einer mechanischen Antriebsmaschine an Bord zu einem »vollelektrischen« Schiffskonzept mit Nuklearantrieb Möglichkeiten für ganzheitliche Änderungen bei Design und Technologie. So können die Konstrukteure die traditionellen Layouts überdenken, da sie nicht mehr um eine zentrale Wellenleitung herum planen oder massive Treibstofftanks unterbringen müssen, da der Reaktorkern als gesamter Treibstoffvorrat dient. Zwar werden Hilfsaggregate für die Redundanz oder den »Take-me-home«-Energiebedarf weiterhin erforderlich sein, doch können die Konstrukteure und Ingenieure auf ausgedehnte Maschinenräume und Abgaskamine verzichten, die lange Zeit ein Merkmal von Schiffen waren. Und schließlich ermöglicht der elektrische Antrieb neuartige Anordnungen wie Pod- oder Azimut-Einheiten, möglicherweise mit gegenläufigen Propellern, die im Vergleich zu konventionellen Schiffen weitere Effizienzgewinne bringen können. Inwieweit müsste die Schifffahrt sich selbst oder ihre Verfahren anpassen, wenn Nukleartechnologien zum Einsatz kämen? El-Shanawany: Die Einführung von Nukleartechnologien in der Schifffahrt wird erhebliche betriebliche und technische Anpassungen erforderlich machen. Nuklearelektrische Schiffe werden eine leicht veränderte Zusammensetzung der Besatzung erfordern, einschließlich spezialisierter Teams von Nuklearingenieuren, die vom Betreiber der Technologie zur Verfügung gestellt werden und neben den traditionellen Schiffsbesatzungen arbeiten. Diese Integration wird Änderungen in der Ausbildung der Seeleute erfordern, wobei die Offiziere eine zusätzliche Ausbildung in Kernphysik und ein Simulatortraining benötigen. Was das Treibstoffmanagement und die Bunkerung betrifft, so ist eine entscheidende Voraussetzung für künftige Schiffe mit Nuklearantrieb die Fähigkeit, sehr lange Treibstoffzyklen zu fahren. Eine häufige Betankung wäre unpraktisch. Es ist unrealistisch, Schiffe z. B. alle 18 Monate außer Betrieb zu nehmen, um abgebrannte Brennelemente zu entfernen und neue Brennelemente zu laden. Ebenso wäre es eine logistische Herausforderung und wirtschaftlich nicht machbar, die Schiffe für jeden Betankungszyklus an ihren Heimathafen zurückkehren zu lassen. Glücklicherweise sind sich viele Entwickler dieser Herausforderungen bewusst und konstruieren Schiffe und Anlagen so, dass sie »lebenslang« betrieben werden können und keine regelmäßigen Bunkerstopps mehr erforderlich sind. Dieser Ansatz könnte den Hafenbetrieb rationalisieren, indem er die Hafenaufenthalte verkürzt und den Bedarf an landseitiger Bunkerinfrastruktur verringert. Könnte die Kernkraft in allen Schiffsgrößen und -segmenten eingesetzt werden? El-Shanawany: Die einfache Antwort auf diese Frage lautet nein. Die Einführung dieser Technologie wird wahrscheinlich mit einer kleinen Anzahl von Prototypschiffen in festen Fahrtgebieten beginnen und von dort aus allmählich wachsen. Es ist unwahrscheinlich, dass über Nacht plötzlich Tausende von Atomschiffen auftauchen werden. Ich glaube auch nicht, dass rein spekulative Schiffe ohne langfristige Verträge bestellt werden, zumindest nicht in der Anfangszeit. Für kleinere Schiffe, die in der Küstenschifffahrt oder auf kurzen, festen Routen eingesetzt werden, sind Nukleartechnologien weniger praktikabel. Hier ist es wahrscheinlicher, dass sie auf batterieelektrische oder Brennstoffzellensysteme umgestellt werden. Bei kleinen bis mittelgroßen Schiffen, die auf längeren Strecken eingesetzt werden, könnte es zu einer Verbreitung von kohlenstoffarmen synthetischen Kraftstoffen kommen, da sich einige Reeder bereits zur Verwendung dieser Kraftstoffe verpflichtet haben und die Motorenhersteller Dual-Fuel- oder sogar Tri-Fuel-Optionen anbieten. Für große und sehr große Schiffe stellt die Kernenergie jedoch eine Option dar. Keine andere Energiequelle kommt auch 42 HANSA – International Maritime Journal 10 | 2024

SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY nur annähernd an ihre Leistungskapazität heran, mit der große Schiffe bei ihrer ursprünglichen Betriebsgeschwindigkeit über große Entfernungen hinweg emissionsfrei betrieben werden können. Aus dem Stegreif würde ich denken, dass die großen Massengut- und Containerschiffe, die auf relativ festen Routen verkehren, zu den ersten Anwendern gehören könnten. Auch der Kreuzfahrtsektor könnte ein potenzieller Anwender sein, wenn sich die Technologie erst einmal bewährt hat, da er einen enormen Energiebedarf hat und öffentlich zugänglich ist. Ist Ihrer Meinung nach der Einbau von Nukleartechnologien hauptsächlich bei Neubauten oder auch bei Retrofits realistisch? El-Shanawany: Ich denke, dass das eher eine kommerzielle Frage als eine technologische Herausforderung ist. Retrofitting ist zwar technisch möglich, aber mit gewissen Hindernissen verbunden. Vom Standpunkt der Schiffsarchitektur aus betrachtet, wird der Einbau eines nuklear-elektrischen Systems in einen für konventionelle Antriebe konzipierten Schiffskörper wahrscheinlich zu einer suboptimalen Nutzung von Raum und Ausrüstung führen, wobei einige davon möglicherweise überflüssig werden oder sich nur schwer effektiv umfunktionieren lassen. Eine weitere Überlegung ist der relative Wertunterschied zwischen dem nachgerüsteten Schiffskörper und der neuen Nukleartechnologie, die implantiert wird. Dieser wirtschaftliche Faktor kann dazu führen, dass ein Neubau die bevorzugte oder logischere Lösung ist. Allerdings sollte man Retrofitting nicht völlig ausschließen. Der Kreuzfahrtsektor zum Beispiel stellt eine mögliche Ausnahme dar. Bei diesen Schiffen handelt es sich um hochwertige Anlagen mit einer langen Betriebsdauer, die bereits an regelmäßige Umrüstungen gewöhnt sind. Viele Kreuzfahrtschiffe werden ab der Ablieferung mit diesel- oder gaselektrischen Systemen betrieben, so dass die Umstellung auf nuklearelektrische Systeme nicht so schwer wiegt. Wenn das Retrofit-Konzept bereits bei der Konstruktion des Schiffes in Betracht gezogen wird, könnte es einige der noch bestehenden technischen Bedenken weiter entschärfen. Wie reagieren Sie auf mögliche Bedenken hinsichtlich Sicherheit/ Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz der Kerntechnik in der Schifffahrt – Stichwort Unfälle und Umweltrisiken – sowie den »langfristigen« Umweltauswirkungen? El-Shanawany: Die Kernenergie ist bereits eine der sichersten Formen der Energieerzeugung, gleichauf mit Solar- und Windenergie. Die neuen Nukleartechnologien für die Schifffahrt heben diese ohnehin schon hohe Sicherheitslatte auf ein neues Niveau, indem sie passive Sicherheitssysteme in drucklosen Anlagen einsetzen, die sich bei Unfällen oder Sabotage automatisch abschalten können. Darüber hinaus hat die konventionelle Kernenergie ihre Sicherheit auf See bereits in jahrzehntelangem Betrieb in Marine-Netzen auf der ganzen Welt bewiesen und ihre Widerstandsfähigkeit in der rauen Meeresumgebung unter Beweis gestellt. Wie ich bereits erwähnt habe, müssen wir jedoch neue Nukleartechnologien objektiv bewerten und ihre Risiken und Sicherheitsmerkmale zusammen mit allen anderen vorgeschlagenen Optionen evaluieren. Dieser Ansatz ist für eine faire Bewertung und öffentliche Akzeptanz unerlässlich. Zum Vergleich: Die Verschiffung von Flüssigerdgas (LNG) wurde anfangs als sehr riskant angesehen, hat sich aber im Laufe der Zeit als sehr sicher erwiesen. In ähnlicher Weise dürften fortgeschrittene Kernkraftwerke auf schwimmenden Anlagen oder Schiffen nur ein geringes Umweltrisiko darstellen. Aufgrund des geringen Quellterms und des Niederdruckreaktorkerns könnte die Notfallplanungszone selbst bei auslegungsüberschreitenden Unfallszenarien auf die Grenzen der Anlage selbst beschränkt werden. Dies steht im Vergleich zu den Herausforderungen, die alternative Schiffskraftstoffe wie Ammoniak mit sich bringen, in einem günstigen Verhältnis. Was die langfristigen Umweltauswirkungen angeht, so gibt es an beiden Enden des Brennstoffkreislaufs Überlegungen. Uranabbau und -verarbeitung verursachen zwar Emissionen, doch sind diese deutlich geringer als in den meisten anderen Energiesektoren. Außerdem bedeutet die enorme Energiedichte von Kernbrennstoff, dass im Vergleich zu fossilen Brennstoffen nur geringe Mengen benötigt werden. Was die Abfallentsorgung anbelangt, so werden die Abfälle im Nuklearsektor bereits genauestens erfasst und behandelt. Die Menge der erzeugten Abfälle ist gering und wird durch gut etablierte, sichere und gesicherte Verfahren verwaltet. Zum Vergleich: ein großes Containerschiff mit Atomantrieb, das 30 Jahre lang ohne Emissionen betrieben wird. Sein Gesamtabfallaufkommen wäre von der Größe her vergleichbar mit dem eines Haushaltskühlschranks und wäre für die langfristige Lagerung bestimmt. Dies steht in krassem Gegensatz zu einem konventionellen Schiff, das im gleichen Zeitraum Millionen von Tonnen CO 2 in die Atmosphäre freisetzen würde. REINTJES Service 365 Tage weltweite Verfügbarkeit 99+ Individuelle Wartungskonzepte 24 Stunden max. bis zur vor Ort Unterstützung eines professionellen Service Engineers 4 Wochen bis zur Nachlieferung aller Ersatzteile in höchster Qualität HANSA – International Maritime Journal 10 | 2024 service@reintjes-gears.de| Service Hotline +49 5151 104 104 | www.reintjes-gears.com 43

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