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HANSA 10-2024

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SCHIFFSTECHNIK | SHIP

SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY Bundeskanzler Olaf Scholz und Niedersachsens Ministerpräsident kommen zur Betriebsversammlung und versprechen Hilfe von Bund und Land © Assies »Wir wollen betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit vermeiden« Betriebsratschef Andreas Hensen Ähnlich äußert sich die IG Metall. Der Stellenabbau wäre ein »harter Schlag für die Betroffenen und die Region«, so der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Die Lage der Meyer Werft sei zwar sehr ernst, sagt er, aber ein planloser Personalabbau sei keine Lösung. Wenige Tage später, Anfang Juli, gibt es eine Pressekonferenz auf der Meyer Werft. IG Metall, Betriebsrat, Sanierer Ralf Schmitz und Werft-CEO Bernd Eikens, erst im Dezember 2023 von Bernard Meyer an die Spitze des Unternehmens geholt, sitzen an einem Tisch. Jetzt herrscht Gewissheit: 340 Schiffbauer werden ihren Job verlieren. Die Geschäftsführung und die Arbeitneh merseite haben sich zudem auf weitere Eckpunkte für eine Sanierung des Unternehmens geeinigt. Für den Einstieg von Investoren zeigte sich die Traditionswerft offen. »Wir wollen betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit vermeiden«, sagt Betriebsratsvorsitzender Andreas Hensen. Im Gegenzug soll es eine Job- Garantie für 3.100 Beschäftigten und eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 geben. Der Unternehmenssitz der Werft wird, wie von der Politik gefordert, von Luxemburg zurück nach Papenburg verlegt werden. Auch ein Aufsichtsrat und ein Konzernbetriebsrat sollen installiert werden. Meyer-Werft-CEO Eikens lobt die gemeinsame Einigung und betont: »Die Eigentümerfamilie Meyer hat über Jahrzehnte in das Unternehmen investiert. Jetzt müssen wir wieder profitabler werden. Der Rahmenvertrag ist ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Werft und der Belegschaft.« Eikens zufolge müssen aber weitere Schritte folgen. Es gehe um die Zukunft des Unternehmens, von Beschäftigten und Zulieferern. Im Dialog mit Kunden zeigt sich der Meyer-CEO optimistisch: »Die Aussichten für die Kreuzfahrt sind gut, wir erwarten ein Wachstum von 6 % im Markt in den kommenden zehn Jahren.« Doch es bleibt ein Wechselbad der Gefühle rund um die Werft. Nur einen Tag nach der Pressekonferenz soll der Brennstart für die erste von vier Offshore-Konverterplattformen Optimismus verbreiten und ein Zeichen des Aufbruchs für die gesamte maritime Wirtschaft in Deutschland sein. Vier Tage später holt Seniorchef Bernard Meyer, der selbst ins ferne Japan gereist war, einen neuen Auftrag an Land. Der Disney-Lizenznehmer Oriental Land bestellt einen Neubau. Die Erleichterung in den sozialen Medien ist groß. »Der Alte macht das schon«, ist unter anderem in Kommentaren zu lesen. Während die Ägide des 76-jährigen Patriarchen in einigen Medienberichten zunehmend kritisch gesehen wird, haben viele Papenburger und auch Werftmitarbeiter Mitgefühl. Wer ihn kennt und erlebt, weiß: Bernard Meyer ist charismatisch, aufrichtig und bodenständig. Eigenschaften, die Reederei-Chefs auf der ganzen Welt schätzen. Nach seinem Einstieg im Jahr 1973 hat Meyer Mitte der 1980er-Jahre den Kreuzfahrtschiffbau ins Emsland gebracht und damit die Werft zum Global Player gemacht. Nun aber muss er um sein Lebenswerk bangen, trotz neuer Aufträge scheint die Zukunft seiner Werft und das Vermächtnis seiner Vorfahren ungewiss. »Jetzt müssen wir wieder profitabler werden« CEO Bernd Eikens Ein Sanierungsgutachten der Unternehmensberatung Deloitte, das Ende Juli präsentiert wird, bescheinigt dem Unternehmen eine gute Zukunft. Das Konzept dient fortan als Basis für alle weiteren Verhandlungen zwischen den Stakeholdern. Unterdessen tickt nun unaufhörlich die Uhr. Der 15. September ist der Stichtag. Sollte bis dahin keine Lösung für die Zukunft gefunden sein, ist die Meyer Werft zahlungsunfähig. Vielen Meyer- Werft-Mitarbeitern verdirbt das gehörig den Sommer 2024. Das Gutachten bescheinigt der Werft »Innovationskraft, ein unternehmerisch und engagiert arbeitendes neues Management sowie viele extrem erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.« Für die Unternehmensführung sei das Konzept Basis für die Fortsetzung der bisher angestoßenen Veränderungen. Einsparungen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich sowie die Modernisierung und Vereinheitlichung der Management- und Steuerungssysteme sind das Ziel, gibt die Werft bekannt. Für den Umbau rechnet man mit einer Zeitspanne 38 HANSA – International Maritime Journal 10 | 2024

SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY von drei bis vier Jahren. Bis 2028 soll Meyer wieder zu einer zuverlässigen, leistungsstarken und vor allem liquiden Werft gemacht werden. Während das neueste Schiff, die »Disney Treasure« ausgedockt wird, betonen Lokalpolitiker sowie Landtags- und Bundestagsabgeordnete die Bedeutung der Werft und sichern Unterstützung zu. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagt sogar in Berlin, das Thema habe für ihn »Top- Priorität«. Er äußert sich damit erstmals öffentlich zu möglichen Staatshilfen, während das Land Niedersachsen in Person von Wirtschaftsminister Olaf Lies sehr früh seine Unterstützung zusicherte. Am 12. August kommt der nächste Hammer – der Weltkonzern Disney ordert für die Kreuzfahrtsparte Disney Cruise Line gleich vier neue Schiffe für insgesamt 1,5 Mrd. $. Es ist der größte Auftrag in der Werftgeschichte. Und nun stehen elf Kreuzfahrtschiffe und Arbeit bis in das Jahr 2031 im Auftragsbuch. Abgelichtet bei der Vertragsunterzeichnung: Thomas Weigend, Mitglied der Geschäftsführung, und Bernard Meyer, der offenbar ohne Unterlass um die Zukunft seiner Werft kämpft. »Nun haben wir acht Schiffe für die Disney Cruise Line in unseren Auftragsbüchern. Das reflektiert das Vertrauen in unsere Fähigkeiten und die harte Arbeit unseres gesamten Teams«, wird Bernard Meyer zitiert. Es scheint absurd: Wieder ein neuer Auftrag, aber noch immer keine gesicherte Zukunft. Der Disney-Auftrag steht unter dem Vorbehalt einer staatlich gesicherten Perspektive, wird erzählt. Oder Über die Details dringt nichts nach außen. Unterdessen tickt die Uhr weiter, es bleiben noch rund vier Wochen bis zum 15. September. Dann kündigt sich Bundeskanzler Olaf Scholz an. Ist es die langersehnte Botschaft, dass der vorläufige Einstieg von Bund und Land den angeschlagenen Schiffbauer Zurück in sicheres Fahrwasser bringt? An diesem 22. August kommt vom Kanzler, der gemeinsam mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und dessen Wirtschaftsminister Lies angereist ist, erst einmal nur eine große Solidaritätsbekundung. »Der Bund trägt seinen Teil der Lösung bei. Wir lassen euch nicht allein«, verspricht Scholz auf einer Betriebsversammlung der Werft. »Die Meyer Werft ist ein industrielles Kronjuwel, das wir nicht aufgeben dürfen und nicht aufgeben werden«, so der Kanzler unter Applaus der Belegschaft. In der ersten Reihe sitzt auch der langjährige Seniorchef Bernard Meyer, der oft zu Boden blickt. Für ihn gibt es von den Politikern, aber auch von Sanierer Ralf Schmitz viel Lob. »So wie Du, so sehen auch viele Kunden die Werft: Als Familienunternehmen. Das soll und wird es auch wieder werden«, sagt Schmitz. Ministerpräsident Weil sagt, er sei sich sicher, dass das keine leichten Tage für Bernard Meyer und die Familie seien. Man »Die Meyer Werft ist ein industrielles Kronjuwel, das wir nicht aufgeben dürfen« Bundeskanzler Olaf Scholz blicke auf ein Lebenswerk, dass Meyer zu »einer herausragenden Unternehmerpersönlichkeit« gemacht habe. »Darum wollen wir auch, dass Sie an Bord bleiben«, so der Minister. Erneut brandet Applaus auf – lang anhaltend. Einige gestandene Werftarbeiter mit gelbem Helm und Blaumann, die sonst gigantische Stahlblöcke bewegen wie Legosteine, haben Tränen in den Augen. Aber auch ohne konkrete Zusagen ist es ein Wendepunkt in der langen Geschichte der Werft. Es vergehen noch einmal drei Wochen, in denen hart verhandelt wird – vor allem mit den Banken, die immer noch zögern. Erst dann ist das milliardenschwere Rettungspaket geschnürt. Am 11. September, vier Tage vor Ablauf der Frist, gibt der Haushaltsausschuss des Bundestages grünes Licht für die Hilfen, danach auch der Haushaltsausschuss des niedersächsischen Landtages. Im Grunde wird die Meyer Werft jetzt eine Staatswerft, wenn auch auf Zeit. Bund und Land steigen mit jeweils 40 % der Anteile in das Unternehmen ein undzahlen dafür jeweils 200 Mio. € als Kapitaleinlage. 20 % bleiben bei der Familie Meyer, die ein Rückkaufrecht für die staatlichen Anteile erhalten. Von einem privaten Investor, der ursprünglich unbedingt mit ins Boot geholt werden sollte, ist jetzt nicht mehr die Reede. Neben der Kaufsumme bürgen Bund und Länder in Höhe von bis zu 80 % für einen neuen Kreditrahmen in Höhe von insgesamt 2,6 Mrd. €, der die bestehenden Verbindlichkeiten ablösen soll. Die Meyer Werft kann also weitermachen, nun aber mit Sitz in Deutschland, mit einem Konzernbetriebsrat und einem Aufsichtsrat. Das waren die Forderungen der neuen Geldgeber. Die nächste Aufgabe für alle Beteiligten wartet schon. Das Sanierungsprogramm muss umgesetzt werden. Die Zukunft scheint weniger düster, eitel Sonnenschein herrscht in Papenburg aber noch lange nicht. Die Auftragslage der Meyer Werft mit allein elf Kreuzfahrtschiffen ist gut, die finanzielle Situation nicht © Assies HANSA – International Maritime Journal 10 | 2024 39

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