SCHIFFFAHRT | SHIPPING General a.D. Egon Ramms analysierte das bisherige Geschehen im Ukraine-Krieg © HMC Auf der anderen Seite des Globus, im Westpazifik, ist zwar noch kein Krieg ausgebrochen, dennoch ist die Lage angespannt. Dies verdeutlichte das im August durchgeführte Militärmanöver Chinas in der Taiwanstraße, auf das Taiwan wiederum mit eigenen Übungen reagierte. Sahra Kirchberger, Expertin für die chinesische Marine, erklärte anhand der maritimen Strategie Chinas die Bedeutung Taiwans für die Volksrepublik. Betrachtet man die Seekarte, so stellt man fest, dass die chinesische Küste von einer Inselkette eingefasst ist. Diese beginnt bei der koreanischen Halbinsel, an die sich eine Reihe kleinerer japanischer Inseln anschließt und dann über Taiwan bis runter zu den Philippinen und Indonesien führt. Diese Inselkette sei stark überwacht, sodass die strategischen U-Boote der Chinesen, bewaffnet mit ballistischen Raketen, bisher nur im Südchinesischen Meer unbemerkt operieren könnten, so Kirchberger. »Das ist die größte maritime Aufrüstung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.« Sarah Kirchberger China-Expertin Sarah Kirchberger, Head of Asia Pacific Strategy and Security, ISPK Kiel zieren, dadurch geortet und als Konsequenz durch die Ukrainer bekämpft werden könnten. Mit Blick auf den weiteren Verlauf des Krieges plädierte Ramms für die Lieferung weiterer schwerer Waffen durch den Westen, auch von Kampf- und Schützenpanzern, um die Rückeroberung von großen Gebieten zu ermöglichen. Zum Abschluss seines Vortrages sagte er: »Ob die Ukraine in der Lage sein wird, diesen Krieg zu gewinnen hängt von uns ab.« Dass der Krieg in der Ukraine auch Auswirken auf die Schifffahrt hat, ist hinlänglich bekannt. Blockierte ukrainische Häfen, Berichte über den Einsatz von Seeminen und der unmittelbare Waffeneinsatz vor der ukrainischen Küste führen zu großer Unsicherheit im Schwarzen Meer. Zudem haben die westlichen Sanktionen gegen Russland für einen Einbruch im Handel gesorgt, was sich auch auf den Linienverkehr in der Ostsee auswirkt. Darüber hinaus tun die steigenden Energiepreise ihr Übriges, um die Branche weiter unter Druck zu setzen. Angespannte Lage im Westpazifik © HMC Dies limitiert zum einen die Reichweite der Raketen und grenzt zum anderen das mögliche Suchgebiet stark ein. Würde Taiwan jedoch ein Teil der Volksrepublik werden, so wie es die kommunistische Partei anstrebt, hätten die chinesischen U-Boote freien Zugang zu den Tiefen des pazifischen Ozeans, erklärte die Expertin die Sichtweise chinesischer Strategen. Das China deutliche Ambitionen hat, eine global operierende Marine zu unterhalten zeigt sich auch im Flottenbauprogramm des Landes. Allein zwischen den Jahren 2014 und April 2018 habe China, gemessen in Tonnen an Stahl, die eigene Flotte um die Gesamtgröße der Royal Navy vergrößert, so Kirchberger. Sie fügte hinzu: »Das ist die größte maritime Aufrüstung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.« Insgesamt habe China mit der Geschwindigkeit seines Flottenbaus die Erwartungen westlicher Analysten um das Doppelte übertroffen. Dass die Volksrepublik in der Lage sein wird, diese umfangreiche Flotte auch mit Personal und Waffensystemen auszustatten, hält die Expertin für plausibel. Vielmehr hebt sie hervor, dass zukünftig 24 HANSA – International Maritime Journal 10 | 2022
SCHIFFFAHRT | SHIPPING Abstract: Conflicts, war and military challenges in Eastern Europe and Asia A war in Europe, tensions in the Western Pacific and, above all, an increasing confrontation between »the West« on the one side and China and Russia on the other: This current geopolitical and military situation was the defining theme of the »International Conference on Maritime Security and Defence« (MS&D) at trade fair and exhibition SMM in Hamburg. The first consequences are already noticeable. Fighting in the Black Sea, sanctions against Russia and high energy prices are causing a damper on shipping. It became clear that the maritime industry must also adapt to the new situation. die immensen Unterhaltskosten einer solchen Flotte zu einem Problem werden könnten. Betrachtet man nämlich die Kosten eines Marineschiffes über die gesamte Dienstzeit, so mache die Beschaffung lediglich 25 % aus. Der restliche Anteil setze sich aus den laufenden Kosten zusammen. Sollte es also zukünftig zu Einbrüchen in der chinesischen Wirtschaft kommen, dürfte es erkennbare Einschnitte im Flottenbauprogramm geben, so die Erwartung Kirchbergers. Das eine solche Aufrüstung nicht ohne Reaktion bleibt liegt auf der Hand. So hat zum Beispiel Japan bereits seit einiger Zeit damit begonnen die eigene Marine ebenfalls aufzurüsten. Zudem arbeitet das Land, dass sich sowohl durch China als auch durch Nordkorea bedroht fühlt, verstärkt mit Partnern in der Region zusammen. Hinzu kommen die USA, die sich schon seit der Präsidentschaft von Obama verstärkt zum Indo-Pazifik hinwenden und China als ihre größte Herausforderung betrachten. Hierfür benötigen sie ungemein viele Ressourcen, weshalb sie auch von den Europäern erwarten, ihre Konflikte selbstständig zu lösen. Dass es bis dahin noch ein sehr langer Weg ist, zeigt der Krieg in der Ukraine. Insgesamt ist eine starke Militarisierung im Westpazifik zu verzeichnen, mit der die Gefahr einer scharfen Auseinandersetzung im Seegebiet steigt. Bedenkt man, dass etwa 30 % des globalen maritimen Handels das Südchinesische Meer passieren, hätten Einschränkungen in diesem Seegebiet gravierende Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Entspannung in der Welt ist also nicht abzusehen. Im Gegenteil. Dieses Jahrzehnt und möglicherweise auch die Folgenden, werden geprägt sein von Aufrüstung und Konfrontation. Damit wird auch eine zunehmende Entflechtung der globalen Wirtschaft einhergehen. Abhängigkeiten verringern ist hier das Stichwort. Somit wird selbst ohne den Ausbruch eines heißen Konflikts die Schifffahrtsbranche die Auswirkungen der internationalen Spannungen spüren und damit umgehen müssen. HANSA – International Maritime Journal 10 | 2022 25
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