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HANSA 10-2021

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SCHIFFFAHRT | SHIPPING

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Die »Ever Ace« beim Erstanlauf in Hamburg: Mit 23.992 TEU ist der 400 m lange Samsung-Neubau aktuell das größte Containerschiff der Welt © HHM Mega-Schiffe – Mega-Irrtum? Inwieweit ist ein weiteres Größenwachstum der »Ultra Large Container Ships« (ULCS) auch aus Betreibersicht noch sinnvoll? Mit den aktuellen Schiffsgrößen könnte das Gegenteil dessen erreicht werden, was eigentlich bewirkt werden sollte Diese Frage wird mit Hilfe einiger grundsätzlicher Überlegungen nachgegangen, wobei insbesondere die Auswirkungen der längeren Hafenliegezeiten der immer größer werdenden Schiff betrachtet werden. Dass Treibstoff-, Kapital- und Schiffsbetriebskosten pro TEU asymptotischen Kurven folgen, deren Verlauf mit wachsender Schiffsgröße immer flacher wird, ist bereits dargelegt worden. Der aus den Economies-of-Scale (EoS) resultierende Kostenvorteil pro TEU wird demnach mit wachsender Schiffsgröße immer geringer, während sich die Schiffsbetreiber immer größere Nachteile einhandeln, zum Beispiel nautische Beschränkungen, weniger Dockungsmöglichkeiten, größere Havarierisiken und -schäden sowie längere Hafenliegezeiten, die allesamt Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben, aber offenbar gern ausgeblendet werden, denn das Wachstum hält an. Dass sich hierbei ein Verkehrsträger auf Kosten der anderen Glieder der intermodalen überseeischen Transportketten fortlaufend optimiert, ist mittlerweile in der Fachwelt weitgehend anerkannt: Wenn all die öffentlichen und privaten Investitionen addiert würden, die in den Häfen und bei den Hinterlandverkehrsträgern getätigt werden mussten, um mit den Abmessungen der Giganten und der von ihnen verursachten »Peakloads« fertig zu werden, müsste konstatiert werden, dass die Entwicklung volkswirtschaftlich schon längst keinen Sinn mehr ergibt. Dennoch sind alle Bemühungen, dem Größenwachstum Einhalt zu gebieten, bislang im Sande verlaufen. Es soll nunmehr hinterfragt werden, inwieweit der Einsatz dieser Schiffe auch aus Carrier-Sicht tatsächlich noch Sinn ergibt. Hierbei stehen insbesondere die Auswirkung der zwangsläufig längeren Hafenliegezeiten der ULCS im Fokus. Basis sind relativ einfache geometrische und physikalische Zusammenhänge. Um möglichst allgemeingültige Aussagen treffen zu können, die von den Spezifika einzelner Schiffe und Häfen unabhängig sind, und um hochkomplexe Einzelberechnungen zu vermeiden, werden allgemeingültige Proportionalitäten herangezogen. Eine typische zwölfwöchige Nordeuropa-Fernost-Rundreise setzt sich aus der Zeit auf See, der Zeit für den reinen Umschlag sowie festen (größenunabhängigen) Revier- und Nebenzeiten in den Häfen zusammen: Es lässt sich durch einfache geometrische Überlegungen herleiten, dass die reine Umschlagszeit grundsätzlich direkt proportional zur Containerkapazität ist. Die bei größeren Schiffen längeren Bahnkurven der Container (Abb. 1 & Abb. 2) und die nicht mit der Containerkapazität CK proportional zunehmende Anzahl an stellbaren Containerbrücken bewirken, dass die reine Umschlagszeit im Ergebnis praktisch proportional mit der Containerkapazität der Schiffe zunimmt. Für die Proportionalität ist es dabei unerheblich, wie schnell die einzelnen Brücken konkret arbeiten, wie viele Brü- 18 HANSA – International Maritime Journal 10 | 2021

SCHIFFFAHRT | SHIPPING und eignet sich mithin zur Indentifikation des Minimums. In t Rundreise´ wird die gesamte Rundreisedauer abzüglich der konstanten Revier- und Nebenzeiten zusammengefasst, zum Beispiel für die herangezogene Nordeuropa-Fernost-Rundreise: Die bei größeren Schiffen längeren Bahnkurven und die nicht proportional zunehmende Anzahl an stellbaren Containerbrücken bewirken, dass die reine Umschlagszeit proportional mit der Containerkapazität der Schiffe zunimmt Fuel / TEU Indicator: Nordeuropa – Fernost Es stellt sich heraus, dass der »Fuel/TEU-Indicator« rechnerisch ein Minimum bei 10.296 TEU aufweist. Würde die Rundreisedauer durch »slow steaming« auf 13 Wochen verlängert, so dass bei gleichbleibender Abfahrtsfrequenz allerdings ein 13. Schiff notwendig würde, © Malchow Der »Fuel/TEU-Indicator« ergibt bei 10.296 TEU ein rechnerisches Minimum cken tatsächlich zum Einsatz kommen und welcher TEU-Faktor vorliegt. Diese Gegebenheiten finden ihren Niederschlag in einem Proportionalitätsfaktor k, der als Umschlagfaktor durch Division der reinen kumulierten Umschlagszeiten und der TEU- Kapazität der eingesetzten Schiffe ermittelt werden kann, zum Beispiel für den herangezogenen Nordeuropa-Fernost-Dienst: Soll die Rundreisedauer bei größer werdenden Schiffen und länger werdender Umschlagszeit konstant gehalten werden, um die Abfahrtsfrequenz zu halten (»Fixed Day Sailings«) und um auch die Anzahl der Schiffe nicht zu erhöhen, muss die Zeit auf See durch eine entsprechend höhere Geschwindigkeit reduziert werden. Die benötigte Antriebsleistung und damit der Brennstoffverbrauch steigen jedoch mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit. Andererseits nimmt die Leistung gemäß Admiralitätsformel nur unterproportional (Exponent: ⅔) mit der Schiffsgröße (Verdrängung) zu. Diese gegenläufigen Effekte lassen sich in Abhängigkeit von der Containerkapazität unter Verwendung von ermittelten Regressionsgleichungen für die Verdrängung sowie die Schiffslänge in folgenden Proportionalitäten für den Brennstoffbedarf m B pro TEU und damit auch für den CO2-Ausstoß m CO2 pro TEU, über eine gegebene Rundreise in einem »Fuel/TEU-Indicator« zum Ausdruck bringen: Der »Indicator« gibt dabei nicht die erforderliche absolute Brennstoffmenge wieder, er ist zu dieser lediglich proportional reduzierte sich der Brennstoffbedarf pro TEU naturgemäß deutlich und das Minimum des »Fuel/TEU-Indicators« verschöbe sich rechnerisch auf 11.221 TEU. Entsprechend geringer fiele es aus, wenn die Rundreisedauer verkürzt würde. Die heute gängigen Schiffsgrößen im Nordeuropa-Fernost- Verkehr liegen also deutlich über der aus einfachen physikalischen und geometrischen Zusammenhängen hergeleiteten Schiffsgröße, bei der die Brennstoffmenge und damit auch die CO2-Emissionen pro TEU ein Minimum einnehmen. Die gegenwärtig größten Schiffe von annähernd 24.000 TEU weisen demnach einen »Fuel/TEU-Indicator« auf, wie er auch bei Schiffen zu erwarten ist, die kleiner als 5.000 TEU sind. Das Wachstum der Schiffsgrößen führte anfänglich zu signifikanten EoS-Effekten hinsichtlich Brennstoffbedarf und »Carbon Footprint«. Es zeigt sich jedoch, dass der EoS-Effekt endlich ist und sich bei großen Schiffen in sein Gegenteil verkehrt. Dabei ist die optimale Schiffsgröße in Bezug auf die benötigte Brennstoffmenge bzw. den »Carbon Footprint« pro TEU fahrtgebietsabhängig und hängt letztlich von nur zwei Parametern ab: • Rundreisedauer abzüglich der festen Revier- und Nebenzeiten des Umschlags • vorherrschende Umschlagproduktivität (»Umschlagfaktor«) Je kürzer die beeinflussbaren Zeiten einer Rundreise und je langsamer der Umschlag, desto steiler die Kurven für die benötigte Brennstoffmenge. Umso enger wird damit auch der Bereich vernünftig einsetzbarer Schiffsgrößen. Eine konkrete klimarelevante Erkenntnis ist daher, dass Schiffsgrößen von 24.000 TEU im Hinblick auf den »Carbon Footprint« pro TEU viel zu groß sind. Zwei 12.000-TEU-Schiffe, die bei unveränderter Rundreisedauer und Hafenrotation entsprechend langsamer fahren würden, wären somit deutlich klimafreundlicher. Sie würden auch für logistische Vorteile sorgen: eine doppelte Abfahrtsfrequenz und geringere »Peakloads« auf den Terminals, ohne dass sich die Transitzeiten dadurch verlängern würden. Werden auch die Kapitalkosten pro TEU und die Kosten des Schiffsbetriebes pro TEU (hauptsächlich Besatzungskosten) berücksichtigt, die im Gegensatz zur Brennstoffmenge beide von einem durchgängigen EoS-Effekt profitieren, stellt sich in der Gesamtbetrachtung dennoch ein Minimum ein, das allerdings in Richtung größerer Schiffe wandert. Der EoS-Effekt ist auch im Hinblick auf die Gesamtkosten endlich. Autor: Ulrich Malchow Geschäftsführer Port Feeder Barge HANSA – International Maritime Journal 10 | 2021 19

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