SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY Ostseestaal fertigte ein Deckshaus für eine Nordsee-Fähre, die bei Pella Sietas gebaut wurde – hier ein Bild von der Verladung vor der Überführung nach Hamburg © Ostseestaal System einfügen, um Aufträge zu bekommen. Mittlerweile sind die Abläufe der Partner eng verzahnt. »Wir haben ein Logistik-System entwickelt, in dem wir die Bauteile nicht nur zuschneiden und an die Werft liefern, sondern auch die innere Logistik des Werftprozesses mitgestalten: Wir liefern die Baupakete genau dann, wenn sie benötigt werden und die Bauteile sind so sortiert, wie sie verbaut werden«, so Kühmstedt. Das ist im Vorfeld zwar organisatorisch anspruchsvoll, führt aber zu deutlichen Einsparungen. »Was wir gelernt haben«, so Kühmstedt, »ist, dass die Integration in die Supply Chain der Werft neben dem Zuschnitt und Verformen eine immer größere Rolle spielt«. Luftfahrt & Architektur Parallel baute Ostseestaal das eigene Portfolio aus. Ergeben sich Möglichkeiten, scheut das Management nicht davor zurück, neue Wege zu gehen. Als die chinesische Regierung Anfang der 2000er verkündete, zum größten Schiffbauland der Welt werden zu wollen, sei man zu der Überzeugung gekommen, dass Europa darunter leiden werde, also auch der eigene Kundenkreis. »Wir haben uns überlegt, in welchen Märkten können wir mit unserem Stahlbau punkten?«, erinnert sich der technische Direktor. Im Ergebnis ist eine breite Palette entstanden: Neben dem Stahlpaketebau für Schiffe gehören dazu Laminierformen für den Bau von Windenergieanlagen und für die Luft- und Raumfahrt oder Architektur-Elemente wie beispielsweise ein Brückensteg für die Landesgartenschau in Ingolstadt in 2020. Ein Markt, von dem man sich viel erhofft, ist der Tankdeckelbau, dem speziell im Rahmen der Energiewende und dem Bedarf an Lagerung und Verteilung von alternativen Kraftstoffen großes Potenzial bescheinigt wird. Heute machen beide Teile – klassische Bauteilfertigung und »neue Geschäftsfelder« – jeweils rund die Hälfte der Aktivitäten aus. Meilenstein Elektro-Schiffe Eine der jüngeren Entwicklungen markiert für Ostseestaal den Einstieg in den eigentlichen Schiffbau-Markt: Unter der Marke Ampereship werden komplette Elektro-/Solar-Schiffe gebaut. Explizit geplant war dieser Schritt nicht. Vielmehr war man über ein kleines Fahrgastprojekt im Münsterland dazu gekommen, gefolgt von einem Auftrag für Fahrgastschiffe in Berlin. Mittlerweile hat die in diesem Fall als »echte« Werft fungierende Firma zehn Neubauten abgeliefert, sieben weitere Elektro-Schiffe stehen noch im Auftragsbuch. Das Neubau-Geschäft nimmt zwar noch einen verhältnismäßig kleinen Teil ein. Gerade in den letzten Monaten wuchs das Segment aber schnell. Im Fokus stehen vor allem Fahrgast- und Binnenschiffe. Zum einen, weil solche Schiffe mit den Kapazitäten in Stralsund gebaut werden können. Zum Anderen sieht man darin die bessere Kombination aus Risiko und Potenzial: Im Hinterland der Küsten spielen Wellen und Wind eine geringere Rolle, was dem Energiebedarf der Schiffe und damit der Batterie-Kapazität und dem Platzbedarf an Bord entgegenkommt. Neuer Markt im Osten? Kühmstedt setzt auf eine wachsende Nachfrage, wenn die Batterie-Preise weiter sinken und die Kapazität solcher Antriebe steigt. Den derzeit enorm von der Politik geförderten Wasserstoff-Antrieb sieht er hingegen kurzfristig noch nicht ausreichend ausgereift: »Es gibt mehrere Projekte, auf die auch wir schauen, aber die Technik ist noch nicht so weit.« Prototypen könne man realisieren, aber eine kommerziell sinnvolle Lösung für Reeder gebe es noch nicht. Auch geografisch ist ein Ausbau der Aktivitäten eine Option. Neben Italien ist dabei beispielsweise Russland im Fokus. Die Regierung in Moskau hat große Pläne für eine Modernisierung der russischen Flotte. Allerdings gibt es Hürden, unter anderem hohe An- 54 HANSA – International Maritime Journal 09 | 2021
SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY Abstract: Structural change in a north-east German way Steel construction, shipbuilding, architecture & Co. Stralsund-based Ostseestaal is on course for growth. One important reason for this is the flexibility in the selection of business fields. In direct neighbourhood of the former Volkswerft shipyard, which nowadays belongs to the MV Werften Group, Ostseestaal has built up an extensive product portfolio in recent years that has clearly outgrown the original business. Thomas Kühmstedt – Technischer Direktor forderungen an den »local content«. Kühmstedt sagt, Russland sei, bei aller Unsicherheit darüber, was aus den hochtrabenden politischen Plänen letztlich wird, ein interessanter Markt, »für den man aber einen langen Atem braucht und der eine relativ hohe Einstiegshürde hat.« Wie geht es mit dem klassischen Geschäft weiter? Das staatlich verordnete Schiffbau-Wachstum in Asien hat bekanntlich auch den Kreuzfahrtmarkt erfasst. Viele Experten rechnen mit einer Verschiebung der Werftkräfte – zum Nachteil der Europäer. Maritim bleibt Das hätte dann auch Auswirkung auf die Geschäfte von Ostseestaal, dessen ist man sich in Stralsund bewusst und Kühmstedt zeigt sich realistisch: »Wir hoffen, dass unser maritimes Geschäft nicht abnimmt, aber wir rechnen damit, so ehrlich muss man sein.« Auch in Zukunft will man jedoch definitiv im Schiffbau aktiv bleiben, die Suche nach Alternativen läuft bereits. Eine »nach wie vor attraktive« Option ist das Geschäftsmodell der niederländischen Werften. Kühmstedt sagt: »Wenn es den Nachbarn gelingt, Frachtschiffe ohne Subventionen wirtschaftlich zu bauen, warum gelingt das dann in Deutschland nicht? Ich sehe da Potenzial, allerdings müsste man dafür die existierende Wertschöpfungskette im Schiffbau auf den Prüfstand stellen.« Hält er es für möglich, auch hierzulande (wieder) Neubauten aus den Shortsea- und Spezialschiff- Segmenten zu realisieren? »Absolut!« SUBSEA COMPETENCE with decades of hands-on experience Engineering Service Diving Service ROV Service UXO Service Remote Service Maritime Service Hydraulic Engineering Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH HANSA – International Maritime Journal 09 | 2021 55
Est. 1864 09 | 2021 International M
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