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HANSA 08-2021

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Die aktuellen

Die aktuellen geopolitischen Konflikt- bzw. Interessengebiete © Chinese Ministry of Defence Die Straße von Hormuz, die am Ausgang des Persischen Golfs liegt, ist von großer Bedeutung. Ein Viertel der globalen Ölexporte werden durch sie transportiert, und von diesem Öl sind viele Staaten abhängig. Zur Sicherung der internationalen Energieversorgung ist die 5. US- Flotte in Bahrain stationiert. Eine »CSG Carrier Strike Group« besteht aus einem Flugzeugträger mit Dutzenden Kampfjets, Jagdflugzeugen und Hubschraubern, der von zwei Lenkwaffenkreuzern, zwei oder drei Zerstörern und zwei U-Booten begleitet wird. Der Persische Golf ist zwar ein Zentrum des globalen Energiesystems, aber die Islamische Republik wird von der Zwei Flugzeugträger sind für China bereits im Einsatz, ein dritter wird gebaut Supermacht USA auch nach der Wahl des Hardliners Ebrahim Raisi eher als ein gefährlicher Störenfried denn als eine wirkliche militärische Bedrohung gesehen. Gleichwohl liegen permanente Spannungen über dieser Region, die nicht nur von der Erzfeindschaft zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, sondern auch vom Konfliktherd Naher Osten und den religiös-politischen Auseinandersetzungen mit Israel immer wieder geschürt werden. Zudem tobt am Ausgang der Meeresstraße, im Jemen, seit Jahren ein Bürgerkrieg, in den eine von Saudi-Arabien geführte Allianz eingetreten ist, um gegen die Huthi- Rebellen zu kämpfen. Beide Konflikte haben das Potenzial, die Schifffahrt empfindlich zu stören, wie einige gravierende Vorfälle bereits gezeigt haben. Erinnert sei an die Festsetzung des Tankers »Stena Impero« durch iranische Revolutionsgarden im Herbst 2019, der Beschuss von Schiffen oder Attacken mit Seeminen. Zuletzt war ein Containerschiff offenbar von einer Rakete getroffen worden. Die Lage ist brisant, eine Eskalation in der Meerenge könnte jederzeit in eine Wirtschaftskrise führen. Syrien In Syrien ist eine friedliche Lösung nach zehn Jahren Bürgerkrieg unter Beteiligung zahlreicher Drittstaaten nicht in Sicht. Mehr als 400.000 Menschen sind bereits ums Leben gekommen, mehr als 12 Mio. Menschen haben ihr Zuhause verloren. Das kurdische Gebiet im Norden kontrolliert die Türkei, Russland unterhält als einer der wenigen Verbündeten von Präsident Assad eine eigene Marinebasis im syrischen Tartus und kämpft mit der eigene Luftwaffe, Militärberatern und Tausenden von »Freiwilligen« an der Seite der Regierungstruppen. Es geht Putin wie auch der Türkei um den Einfluss im Nahen Osten. Arktis Andere Ambitionen meldet der Kreml im hohen Norden an. Die Arktis birgt Expertenschätzungen zufolge mehr als ein 36 HANSA – International Maritime Journal 08 | 2021

SCHIFFFAHRT | SHIPPING © Russian Ministery of Defence Viertel der weltweiten Öl- und Gas- Reserven. Der Kampf um Einfluss und Zugangsrechte hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Um die reich gefüllte Naturschatzkammer buhlen zahlreiche Staaten. Die sogenannten »Arctic Five« stehen bereits im Blickfeld der maritimen Sicherheitspolitik. Gemeint sind die fünf Staaten, die direkt an das Nordpolarmeer grenzen, und das sind: Norwegen, Russland, USA (via Alaska), Kanada und Dänemark (via Grönland). Diese fünf Staaten beanspruchen jeweils das Gebiet ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die sich bis 200 sm entfernt von der Küste und zum Teil bis nahe an den Nordpol erstreckt. Russland lässt keine Zweifel an den eigenen Ansprüchen und baut neben kräftiger Symbolik wie dem Hissen der Staatsflagge am Meeresgrund die Militärpräsenz im Nordmeer aus. Dazu zählen Stützpunkte im Eis ebenso wie Pläne für eine Flotte eisgängiger, auch militärisch nutzbarer Schiffe. Wettrüsten auf dem Meer Angesichts verstärkter geopolitischer Rivalitäten und den vielen Konflikten erreichen die Militärbudgets neue Rekordwerte. Man könnte meinen, dass wir am Anfang eines neuen Wettrüstens stehen. Investiert wird vor allem in neue Technologien, sei es Künstliche Intelligenz (KI), das automatisierte Schlachtfeld, unbemannte Drohnen, militärische Raumfahrttechnik sowie in die Modernisierung von Atomwaffen einschließlich ihren Trägersystemen. Russlands Projekt 23550 sieht den Bau von Kampf-Eisbrechern für die arktischen Gewässer vor Die weltweiten Militärausgaben sind trotz Pandemie um 2,6 % gestiegen. Der Löwenanteil der weltweiten Militärausgaben 2020 entfiel auf die USA: Sie gaben knapp 780 Mrd. $ für Verteidigung aus, waren damit für 39 % der weltweiten Militärausgaben verantwortlich und rangieren unangefochten auf Platz 1. Sie gaben 2020 fast dreimal so viel Geld für ihr Militär aus wie ihre vermeintlichen Rivalen China und Russland zusammen. Die Bedeutung einer Seemacht steht und fällt mit der Präsenz an den neuralgischen Punkten entlang der Hauptschifffahrtsrouten. Das US-Militär kann durch seine Flottenverbände und die über 800 auf mehr als 170 Länder verteilten Militärstützpunkte viele Gebiete kontrollieren. Ein starke Flotte bleibt ein Machtinstrument von geostrategischer Bedeutung. Das Pentagon hat seine strategische Planung neu justiert. Das jüngste Strategiepapier TRADOC 525-3-1 ist überschrieben mit »Win in a Complex World, 2020–2040«. Darin geht es um nichts weniger als die amerikanische »Full Spectrum Dominance« – zu Land, zu Wasser, in der Luft, im Cyberspace und im Weltall. Als wichtigste Gegner werden in dem Papier die eurasischen Konkurrenzmächte China und Russland genannt. Bei ihrem gerade in Brüssel stattgefundenen Gipfel haben die NATO- Mitgliedstaaten neben Russland als ihrem traditionellen Counterpart erstmals auch China als »systemische Herausforderung« und strategischen Rivalen entdeckt, der »mit Blick auf die Verteidigung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses« in neue strategische Ansätze einbezogen werden soll. Peking sprach umgehend von einer »Mentalität des Kalten Krieges«. Brennpunkt Indo-Pazifik Auch die EU-Außenminister haben im vergangenen April eine Indo-Pazifik- Strategie für den Handel abgesegnet, beim diesjährigen G7-Treffen im britischen Carbis Bay, wohlgemerkt ohne China und Russland, stand China ganz oben auf der Tagesordnung. Als Konter zur chinesischen »Neuen Seidenstraße« wurde ein milliardenschwerer Infrastrukturplan beschlossen. Trotz aller Annäherung der Post- Trump-Ära haben Europa und die USA in China allerdings konträre Interessen. Die USA haben ein riesiges Handelsbilanzdefizit, sie wollen Peking daher in die Schranken weisen. Europa macht hingegen beste Geschäfte mit China und Emmanuel Macron, der französische Präsident, mahnte jüngst, »dass wir die Ziele nicht vermengen sollten. Die Nato ist eine militärische Organisation. Der Inhalt unserer Beziehung zu China ist nicht nur militärisch.« Bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hörte sich das ganz ähnlich an: China sei ein Rivale in vielen Fragen, aber gleichzeitig auch ein Partner für viele Fragen. Deutschland als drittstärkste Handelsnation und Europa sind angesichts des »One Belt, One- Road«-Programms aufgerufen, politisch wachsam zu sein. Co-Autor Ludolf Baron von Löwenstern ist Kapitän zur See d.R., Chairman des European Strategic Institute sowie Experte für geostrate - gische und geopolitische Fragen am Deutschen Maritimen Institut (DMI) HANSA – International Maritime Journal 08 | 2021 37

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