Schifffahrt als Spielball der Supermächte © US Navy Aufmarsch im Golf von Aden mit dem US-Flugzeugträger »Ronald Reagan« und der britischen »HMS Queen Elizabeth« samt Begleitschiffen Militärische Konflikte und Unruhen gefährden immer wieder den freien Seehandel. Dazu kommen geopolitische Ambitionen. Vor allem China und Russland erheben Anspruch auf strategisch wichtige Regionen und fordern die USA als führende Seemacht heraus Die See ist die Straße des Welthandels. Die freie Nutzung der Seewege und der gesicherte Zugang zu den Meeren gilt für viele Länder als lebenswichtig. Doch werden viele Regionen zum Schauplatz eines geopolitischen Kräftemessens. Während des zwei Wochen dauernden Nato-Manövers »Sea Breeze«, das 30 Staaten unter Führung der USA gemeinsam mit der Ukraine kürzlich im Schwarzen Meer abhielten, starteten russische Kampflugzeuge wiederholt Scheinangriffe auf die niederländische Fregatte »HNLMS Evertsen« und den britischen Zerstörer »HMS Defender«. Während die Nato im Schwarzen Meer demonstrativ Rückendeckung für die Ukraine zeigte, fühlte sich Russland bis aufs Blut gereizt. Denn das Manövergebiet befand sich im Südosten der Halbinsel Krim, die von Russland annektiert wurde. Seither schwelt ein Krieg zwischen prorussischen »Rebellen« und den von Kiew kommandierten Truppen. Immer wieder erschwert Russland die Schifffahrt in der Straße von Kertsch, der Verbindung zu den für die Ukraine wichtigen Häfen im Asowschen Meer. Doch Beim Manöver »Sea Breeze« demonstrierten die Nato-Verbände ihre Kampfkraft © Royal Navy nicht nur der russisch-ukrainische Konflikt birgt potenzielle Risiken für die internationale Seefahrt, die immerhin 90 % aller gehandelten Güter weltweit bewegt. Wie schnell und gravierend Störungen an neuralgischen Punkten die globalen Wirtschaftskreisläufe beeinträchtigen, haben nicht zuletzt die Blockade des Suezkanals durch das havarierte Containerschiff »Ever Given« oder der coronabedingte Ausfall des chinesischen Hafens Yantian gezeigt. Zu den »Aorten« des Welthandels zählt ebenso die Straße von Malakka oder die Straße von Hormuz am Ausgang des Persischen Golfs. Durch dieses Nadelöhr geht ein Viertel der globalen Öltransporte. Eine Blockade oder Schließung auch nur eines dieser maritimen Flaschenhälse bleibt eine reale Gefahr. Nur wenige Seeminen reichen aus, um solche geo-ökonomisch wichtigen Meerengen vollkommen abzuriegeln. Auch Terroranschläge auf Schiffe, wie wiederholt im Golf oder zuletzt vor der israelischen Mittelmeerküste, können jederzeit die Schifffahrt stark behindern oder stoppen. Der Schwerpunkt der Weltpolitik verlagert sich vom Abendland zurück nach Eurasien und vom atlantischen in den pazifischen Raum. Dabei spielt China die zentrale Rolle, nachdem sich die Volksrepublik in nur 40 Jahren von einem der ärmsten Entwicklungsländer zur größten Handelsnation und, nach Kaufkraft gemessen, bereits zur größten Volkswirtschaft entwickelt hat, kurz: zu einer Su- 34 HANSA – International Maritime Journal 08 | 2021
SCHIFFFAHRT | SHIPPING permacht, die nur noch von den USA übertroffen wird. Unüberhörbar meldet Peking wirtschaftliche, geopolitische und militärische Ansprüche an. China baut seine Handelsflotte aus, um seine Versorgungsrouten sowie den steigenden Rohstoff- und Energiebedarf zu sichern. Dabei stützt sich China vor allem auf Staaten, die sich vom Westen politisch klar abgrenzen wie den Iran, Sudan, Angola oder Venezuela. China hat allerdings ein Problem: Die meisten Importe über See müssen mindestens eine entscheidende Engstelle passieren: die Straße von Malakka. Und diese wird, wie große Teile dieser Region, durch die USA mit Hilfe diverser Militärstützpunkte und durch Marinepräsenz »kontrolliert«. Noch, könnte man sagen. Denn China rüstet die Volksbefreiungsarmee mit einem Anteil von 13 % an den globalen Rüstungsausgaben gewaltig auf, auch die Marine. Sie hält dem Vergleich mit der Schlagkraft der US-Flugzeugträger-Verbände zwar noch nicht stand, stellt aber zahlenmäßig mit rund 350 Kriegsschiffen und U-Booten bereits die größte Flotte der Welt. In einigen Bereichen, etwa bei Lenkwaffenzerstörern, hat China nicht nur mit der US Navy gleich-, sondern ist sogar vorbeigezogen. Der dritte Flugzeugträger unter dem Projektnamen »003« ist gerade bei der Jiangnan-Werft in Schanghai im Bau. Chinas wachsende Ansprüche Mit Sorge beobachten Chinas Nachbarn das zunehmend aggressive Auftreten der Volksrepublik im asiatisch-pazifischen Raum. Im Südchinesischen Meer ignoriert Peking seit Jahren das Urteil eines internationalen Schiedsgerichts, erhebt weiter Anspruch auf fast das gesamte Meeresgebiet fast bis zur Straße von Malakka und hat Atolle und Inseln zu Militärbasen ausgebaut. Bei dem Konflikt geht es um Fischgründe, Öl- und Gasreserven – und die Kontrolle einer der global bedeutendsten Schifffahrtsrouten. Ein Drittel des Welthandels mit jährlich 60.000 Schiffen wird über das Südchinesische Meer abgewickelt – der Streit berührt also auch Europa ganz erheblich. Bislang wurden dieses Seegebiet von der US-Marine mit der auf Japan stationierten 7. US-Flotte beherrscht, nun aber baut Peking zunehmend ein Gegengewicht auf. Denn die Versorgung über den Seeweg ist eine Achillesferse des Lan- Chinas Staatspräsident Xi Jinping, hier bei einem Truppenbesuch, erhebt Anspruch auf Taiwan des. Dazu kommt als Teil des Konflikts Taiwan, einerseits als Verbündeter des Westens und andererseits, nach dem Selbstverständnis der KP Chinas, bis heute ein abtrünniger Teil des Landes, der zurückgeholt werden muss. Chinas bislang einzige ausländischer Militärstützpunkt befindet sich in Djibouti am Horn von Afrika. Allerdings werden etliche wichtige Handelshäfen wie Piräus im Mittelmeer inzwischen von chinesischen Eignern kontrolliert, auch sie könnten im Krisenfall militärisch genutzt werden. Bislang hat Peking mehr als 1 Bio. $ in das »One-Belt-One-Road«-Programm in mehr als 70 Ländern investiert, auch in Deutschland. Neben Logistikzentren und interkontinentale Bahnverbindungen spielt auch die »maritime Seidenstraße« eine wichtige Rolle. Der immanente Konflikt zwischen China und den USA, der nicht militärisch, aber sehr wohl über Handelsbeziehungen und -beschränkungen ausgetragen wird, ist bei weitem nicht die einzige Bedrohung für das geopolitische Machtgefüge oder den ungestörten Welthandel. Persischer Golf Dazu kommt eine neue »Völkerwanderung« apokalyptischen Ausmaßes, die sich aus den Kriegen, Konflikten und Auseinandersetzungen in der Levante, im Mittleren Osten und im Norden Afrikas, aber auch aus der Armut und Perspektivlosigkeit des gesamten afrikanischen Kontinents speist. Nie war spürbarer, dass Schockwellen, die durch wirtschaftliche, finanzielle, politische oder sonstige Ursachen ausgelöst werden, von der Peripherie bis ins Zentrum Europas wirken und neue Krisen, Konflikte oder Unruhen auslösen können. China baut Atolle wie Fiercy Cross (Spratly-Inseln) zu Militärstützpunkten mit Landebahn aus © Chinese Ministry of Defence © Philipine Air Force HANSA – International Maritime Journal 08 | 2021 35
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