Schiffstechnik | Ship Technology Für Ship Operation 4.0 sind grundlegende Technologien und organisatorische Maßnahmen nötig Der Fokus liegt nicht auf technischen Einzellösungen. In einem Top-Down-Ansatz geht es um die wesentlichen Linien und Zusammenhänge der Digitalisierung im Schiffsbetrieb: Lösungsvorschläge, Strategien und technische Entwicklungen, welche zukünftig dazu beitragen können, die Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit des Schiffsbetriebs zu erhöhen, die Prozesseffizienz von Schiffsmanagementfunktionen an Bord und an Land zu verbessern und einen Produktivitätsanstieg durch zunehmend selbst organisierte und autonom agierende maritime Transportsysteme zu ermöglichen. Hierzu beschreibt das White Paper die drei Ebenen Voraussetzungen, Wirkungsmechanismen und Gestaltungsfelder von Ship Operation 4.0, die die Grundlage für datenbasierte Innovationen im Schiffsbetrieb bilden, und nimmt so eine systematisierte Darstellung der Entwicklungsperspektiven der weiteren Digitalisierung des Schiffsbetriebs vor. Voraussetzungen erfüllt? Autonome Schiffe, Predictive Maintenance oder Augmented Reality zur Unterstützung der Instandhaltung mögen vielversprechende Ziele von Ship Operation 4.0 sein. Um sie zu erreichen, ist zunächst eine Reihe grundlegender und aufeinander aufbauender digitaler Technologien und organisatorischer Maßnahmen zur Bereitstellung und effizienten Nutzung der »neuen Ressource« Daten erforderlich. Die Voraussetzungen untergliedern sich in die fünf Bereiche »Datenerfassung«, »Datenaustausch«, »Datenanalyse«, »Umsetzung datenbasierter Erkenntnisse« und »Cyber Security«. Sind die Voraussetzungen von Ship Operation 4.0 erfüllt, stehen Unternehmen vor der Frage, wie sie anhand von Daten die Effizienz, Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Zuverlässigkeit des Schiffsbetriebs steigern können. Hierbei kommen fünf aufeinander aufbauende Wirkungsmechanismen zum © Fraunhofer CML Tragen. Die gezielte Nutzung der Ressource Daten ist dabei immer der Ausgangspunkt, kann jedoch mit »Digitalisierung und Konnektivität«, »Transparenz und Systemverständnis», »Optimierung und Prognose«, »Automatisierung« und »Mensch-Maschine-Interaktion« auf unterschiedliche Mechanismen oder Funktionalitäten zurückgreifen. Idealerweise erfolgt die Umsetzung der Wirkungsmechanismen schrittweise und geht jeweils direkt mit positiven Effekten in der Betriebspraxis einher. Zur besseren Strukturierung werden fünf Gestaltungsfelder »Navigation und Schiffsführung«, »Betrieb der technischen Anlagen an Bord«, »Instandhaltung des technischen Systems Schiff«, »Administrations- und Managementprozesse« sowie »Schiffs- und Flottenmanagement« unterschieden, für die jeweils eine Reihe teilweise aufeinander aufbauender oder miteinander in Beziehung stehender Entwicklungen und Entwicklungsstufen auf dem Weg zu Ship Operation 4.0 vorgestellt sind. Im Ergebnis werden mit dem White Paper »Ship Operation 4.0« vielfältige mögliche Vorteile aufgezeigt, die von einer Optimierung in bestimmten Betriebszuständen über das gesamte Einsatzspektrum eines Schiffes oder gar bis hin zur übergreifenden Flottenoptimierung reichen. Die Ansätze zielen nicht nur auf den Kraftstoffverbrauch oder einen möglichst wirtschaftlichen Schiffsbetrieb ab, sondern beziehen in einem ganzheitlichen Ansatz auch Umweltverträglichkeit und eine Erhöhung der Schiffssicherheit mit ein. Insgesamt will das White Paper damit einen Beitrag leisten, um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft zu stärken, indem die Chancen der Digitalisierung und Automatisierung ganzheitlich genutzt und den Herausforderungen eines klimafreundlichen Schiffsverkehrs wirksam begegnet werden kann. Autor: Lutz Kretschmann Fraunhofer CML 62 HANSA International Maritime Journal 08 | 2019
Schiffstechnik | Ship Technology Im Datenwust den Überblick behalten Datenerhebungen haben spätestens seit der Schifffahrtskrise in der Branche einen hohen Stellenwert. Wenn man sie richtig nutzt, lassen sich Kosten sparen, die Effizienz steigern sowie Probleme im Vorfeld erkennen Begriffe wie Industrie 4.0, Internet der Dinge und Cloud sind längst in der Schifffahrt angekommen und heute nicht mehr wegzudenken. Die Zahl der gewonnen Informationen ist immens. Die Kunst besteht darin, die für den eigenen Bedarf wichtigen Daten herauszufiltern und daraus die Informationen zu ziehen, die einen Mehrwert bringen. Denn: »Eine große Menge an Daten alleine hilft nicht weiter, ohne sie zu analysieren«, betonte Kai Koch von ABB/Tekomar auf der Veranstaltung »Ship Operation 4.0«, die von der Schiffbau-Technischen Gesellschaft (STG) mit Unterstützung des Fraunhofer CML organisiert wurde. Etwa 100 Teilnehmer waren nach Hamburg-Harburg gekommen. Entscheidend für die Güte der gewonnenen Informationen ist deren Qualität. »Wenn die Daten von vornherein fehlerhaft sind, kann am Ende nichts Positives herauskommen«, machte Koch deutlich. Messfehler seien die Folge. Die Validität und die Frequenz der Daten sind auch für Falko Fritz, Skysails Marine Performance, entscheidende Kriterien. Wichtige Daten seien vor allem solche, die »kurzfristig validierbar sind«. »Doch welche Informationen braucht man wirklich«, fragte Koch. Interessant sei etwa die Frage, wie viel Kraftstoff man zusätzlich verbrauche bei einem verschmutzten Turbolader. So etwas ließe sich berechnen. Die Firma Schottel und ihr Partner Bachmann electronic nutzen Daten, um Informationen über Wartungen zu erhalten. Es geht um die sogenannte vorausschauende Instandhaltung. Anhand der gewonnen Messwerte ließen sich beispielsweise Anzeichen drohender Lagerschäden erkennen, die so vermieden werden könnten, sagte Alexander Neideck von Schottel. Im Endeffekt ließen sich die Lifecycle-Kosten reduzieren und die Ausfallsicherheit beziehungsweise Anlagenverfügbarkeit erhöhen. Die Sensoren, die Informationen über das Unterwassergetriebe liefern sollen, werden dabei auf dem Oberwassergetriebe platziert. Die Position des Sensors spiele dabei durchaus eine Rolle, denn nicht jeder Sensor erkenne jeden Schaden. Michael Krahe vom Hamburger Ingenieurbüro E-MS e-powered marine solutions gab ebenfalls ein Beispiel aus der Praxis und stellte die IT-Anwendung Remote Diagnostics (E-RD) vor. Es handelt sich um ein Kontroll-, Diagnose- und Prognosesystem, mit dem Reedereien von Land aus den gesamten Schiffsbetrieb verfolgen und optimieren können. »Riechen, sehen und hören« In einer abschließenden Podiumsdiskussion warf Carlos Jahn vom Frauenhofer CML die Frage in den Raum, ob die Entscheidungen künftig eher an Bord oder an Land getroffen würden. Die Haltung Kochs dazu ist eindeutig: »Sensoren können nicht riechen, sehen oder hören. Das kann nur der Mensch an Bord.« Unterstützung erhielt er aus dem Auditorium. Es sei rechtlich eindeutig geregelt: »Die letzte Entscheidung hat immer der Kapitän. Alles andere könnten nur Hinweise sein.« Auch für Krahe muss der Kapitän »immer das letzte Wort haben«. v.l.: Alexander Neideck, Kai Koch und Norman Südekum Die Crew werde sich aber künftig womöglich für ihre Entscheidungen häufiger rechtfertigen müssen, meint er. Daten könnten sie dabei schützen, ihnen möglicherweise aber auch schaden. »Das Meiste, was wir machen, ist klassisches Handwerk und hat mit künstlicher Intelligenz wenig zu tun«, ergänzte Fritz. Norman Südekum von Wago Kontakttechnik geht dennoch eher von einem Mittelweg aus. Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern an Bord und an Land sei ein wichtiger Faktor. Fritz vermutet, dass diese Frage letztlich vom Markt geregelt werde. »Es wird transparenter werden.« Man müsse kooperativ sehen, wer welche Entscheidungen am besten treffen könne. Dies sei letztlich eine Frage der Kompetenz. Die Diskutanten gingen unterdessen nicht davon aus, dass künftig ausschließlich Start-up-Unternehmen vermehrt auf den Markt drängen und die Branche in Bezug auf den Schiffsbetrieb umkrempeln könnten. Die zu Anfang hohen Investitionen sowie komplexe und langwierige Vorschriften seien durchaus Eintrittsbarrieren, so Krahe. TWG © Wägener HANSA International Maritime Journal 08 | 2019 63
est. 1864 INTERNATIONAL MARITIME JO
Editorial Michael Meyer Stellvertre
Spotlight on new Ships © Heerema O
People ◼◼ DFDS: Karina Deacon w
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