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HANSA 07-2024

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100 JAHRE REEDEREI JOHN

100 JAHRE REEDEREI JOHN T. ESSBERGER Tankdampfer »Skagerrak«, j. 1928, ab 1930 Bereederung durch JTE Kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges begann Essberger auch in Frachtschiffe für die weltweite Trampfahrt zu investieren. 1929 heiratete John T. ein zweites Mal. Seine Frau Elsa Wolff, (geb. Schirmer, 1898 – 1977) war die Witwe eines erfolgreichen Hamburger Tabakunternehmers, attraktiv und außerordentlich vermögend. Zum Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) gewählt, gelang es Essberger, die weitgehend in staatlichem Besitz befindlichen, tief defizitären deutschen Linienreedereien zu privatisieren. Da es für die chronisch unterfinanzierten Afrika-Linien zu den längst verlorenen deutschen Kolonien keinen Interessenten gab, sicherte er sich 1941 die Afrika-Linien in der Hoffnung auf bessere Tage. Noch im selben Jahr wurde Essberger, der dem Nationalsozialismus aus persönlichen Gründen distanziert gegenüberstand, von seiner Position als VDR-Vorsitzender entbunden und von dem schifffahrtsfremden Hamburger NS- Gauleiter Karl Kaufmann abgelöst. Da sowohl die Tanker wie die Afrika-Schiffe bei Kriegsausbruch von der Marine beschlagnahmt worden waren und bei Kriegsende nicht mehr existierten, stand Essberger 1945 mit leeren Händen da. Erst zu Beginn der 1950er Jahre gelang es ihm, neue, nun eigene Schiffe für die Deutschen Afrika-Linien (DAL) zu bauen, die unter den Reedereiflaggen der Deutschen Ost- Afrika-Linien und der Woermann-Linie nach Westafrika fuhren. Viele Jahre standen Essbergers innerhalb der Gruppe rechtlich selbstständig agierende DAL im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Das Kerngeschäft von John T. Essberger blieb jedoch die Tankfahrt. In den 1950er Jahren war Essberger erneut die größte deutsche Privatreederei, bis zu seinem Tod 1959. Teertanker »John A. Essberger« – gebaut 1931 auf der Reiherstiegswerft – in der 1950er Jahren auf der Elbe © JTE © JTE Die Essberger-Flotte Essberger Tankers verfügt mit den vier Neubauten (siehe nebenstehende Seite) über eine Flotte von 37 Chemikalientankern, die seit 2021 in einem Pool Agreement mit der norwegischen Reederei Stolt-Nielsen unter dem Namen E&S Tankers fahren und von Essberger in Hamburg befrachtet werden. Die E&S-Flotte betreibt den gemeinsamen Dienst derzeit mit 47 Tankern, die vor allem im europäischen Küstenverkehr operieren. Darüber hinaus gehören zu John T. Essberger zwei 2.500-TEU-Schiffe. Die Reederei erwartet für 2024 einen Umsatz von 365 Mio. €. Sie beschäftigt 1.223 Mitarbeitende, davon 1.096 auf See und 127 an Land. Zur Erbin und Reedereichefin hatte er seine Tochter Liselotte bestimmt, die nach ihrer Heirat mit dem Juristen Cuno von Rantzau als Liselotte von Rantzau-Essberger fortan die Geschäfte führte. Liselotte, selbstbewusst, durchsetzungsfähig und sozial engagiert, hatte ihrem Vater lange als Büroleiterin gedient und trat mit Aplomb in die von Männern dominierte Welt der Schifffahrt ein. Getragen vom wirtschaftlichen Aufschwung der 1960er Jahre, baute sie das Reedereigeschäft aus und erweiterte den historischen Sitz der Reederei an der Palmaille durch ein modernes Bürogebäude. Der Ölboom zu Beginn der 1970er Jahre verleitete die Reederei zu Investitionen in den Bau von Großtankern für Rohöl. Aber: Gerade als die letzten Schiffe von den Kieler Howaldtswerken abgeliefert wurden, brach der Markt in der Folge der weltweiten Ölkrise zusammen. John T. Essberger stand kurz vor dem Ruin, konnte aber durch ein Restrukturierungsprogramm mit Hilfe der Banken gerettet werden. John T. Essberger konzentrierte sich nun vor allem auf das wachsende Spezialgebiet Chemikalientankfahrt. Auch die Afrika-Fahrt musste Federn lassen, stand aber mit dem Liniendienst nach Südafrika einstweilen glänzend da. Anfang der 1980er Jahre übernahm die dritte Generation, die Söhne Dr. Eberhart von Rantzau (geb. 1948) und Heinrich von Rantzau (geb. 1944) nach und nach die Verantwortung für die Reederei. Beide hatten eine zielgerichtete, umfangreiche Ausbildung abgeschlossen und wuchsen rasch ins Tagesgeschäft hinein. Es gelang ihnen, die Containerfahrt der DAL über viele Jahre im Verbund mit großen internationalen Partnern im Southern Africa Europe Container Service (SAECS) zu positionieren. Aber im zunehmenden Konzentrationsprozess der Reedereien drohten die vergleichsweise kleinen Deutschen Afrika-Linien zu Beginn des neuen Jahrtausends zwischen den Mega-Carriern zerrieben zu werden. 2022 bot sich dann die Gelegenheit, die Afrika- Aktivitäten mit einem goldenen Handschlag zu verlassen. Die Unternehmensgruppe Deutsche Afrika-Linien/John T. Essberger verkaufte die Linienfahrtrechte nach Südafrika, einschließlich des einzigen verbliebenen Schiffes, der »DAL Kalahari« (6.600 TEU), an die Hapag-Lloyd AG. John T. Essberger hatte sich mit großem Know-how und Stateof-the-art-Tonnage zu einem Premium-Anbieter entwickelt. Im einhundertsten Jahr der Reedereigeschichte wird weiter an der Modernisierung und Erweiterung der Tankerflotte gearbeitet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Essberger bei wirtschaftlich vernünftigen Rahmenbedingungen bald auch wieder in die Trockenfahrt investieren wird. 24 HANSA – International Maritime Journal 07 | 2024

100 JAHRE REEDEREI JOHN T. ESSBERGER Neubauten für die Flottenmodernisierung »Liselotte Essberger« machte am Nikolaustag 2023 den Anfang, insgesamt vier Neubauten sollen in Dienst gestellt werden. Die Wahl fiel auf einen LNG-Antrieb – dafür gab es Fördermittel von der deutschen Bundesregierung Die neue »Liselotte Essberger« – es ist bereits das fünfte Schiff dieses Namens in der einhundertjährigen Geschichte des Unternehmens © JTE Den Auftakt der neuen Viererserie an Neubauten hatte die »Liselotte Essberger« gemacht. Auch sie wurde in Hamburg getauft. Nach der Ablieferung hatte sich der Chemikalientanker-Neubau auf den Weg von China durch den Suezkanal und das Mittelmeer nach Europa gemacht. Es war die längste Jungfernfahrt in der Geschichte der Reederei, wie Unternehmenschef Eberhard von Rantzau bei der Taufe sagte. Taufpatin am Cruise Center Altona war Greet Verheyden, Logistik-Managerin von Borealis, einem Kunden der Reederei. Die Patin wünschte dem Schiff Glück und ließ die Flasche gegen den Rumpf knallen. Die Viererserie wurde von der China Merchants Jinling-Werft in Yangzhou am Yangtse gebaut. Und es ist bereits das fünfte Schiff dieses Namens in der einhundertjährigen Geschichte des Unternehmens. Die Chemikalientanker werden in einem Pool mit der norwegischen Reederei Stolt-Nielsen unter dem Namen E&S Tankers eingesetzt. Die Namensgeberin Liselotte von Rantzau-Essberger (1918–1993) war die Tochter des Reedereigründers John T. Essberger. Sie stand 30 Jahre lang an der Spitze des Unternehmens. Als Hauptantrieb der Neubauten dient ein Dual-Fuel-Motor von MAN mit 3.180 kW, der je nach Bedarf mit Marine Gas Oil (Diesel) oder Flüssiggas (LNG) betrieben werden kann. Er entspricht dem hohen Umwelt-Qualitätsstandards Tier III und ist für eine Reisegeschwindigkeit der Schiffe von 12,5 kn ausgelegt. »Das kostet einige Millionen mehr, aber wir haben es für unsere Kunden und für alle gemacht«, sagte von Rantzau. Die Schiffe mit 16 Tanks aus Edelstahl und Eisklasse 1A sind gut 116 m lang, 18 m breit und werden von einer 15-köpfigen Crew gefahren. Der an Deck stehende Tank für das Flüssiggas hat ein Fassungsvermögen von 350 m3. Das reicht für eine Strecke von etwa 4.200 sm. Der Bau wurde im Rahmen der Umsetzung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung (MKS) mit insgesamt 1,58 Mio. € gefördert. Das Geld wurde zur teilweisen Kompensation der Mehrkosten für den LNG-Antrieb des Schiffes gewährt, heißt es. MM Details der Neubauserie Typ . . . . . . . . . . . Chemikalientanker Reederei . . . . . . . . John T. Essberger Werft . . . . China Merchants Jinling Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 m Breite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 m Antrieb . . . . . Dual-Fuel LNG/MGO Leistung . . . . . . . . 3.180 kW (MAN) Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . DNV Eisklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1A 3 LNG-Tank an Deck . . . . . . . 350 m LNG-Kapazität . . . . . . . . . . 4.200 sm Einsatz . . . . . . . . E&S Tankers / Pool Besatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 HANSA – International Maritime Journal 07 | 2024 25

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