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HANSA 07-2017

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Schifffahrt | Shipping

Schifffahrt | Shipping Notfälle auf See – Steuerrad statt Stethoskop Die aktuellen Meldungen der Seenotretter spiegeln es wider: Immer häufiger sind medizinische Notfälle auf See der Grund für Rettungseinsätze. Die BG Verkehr organisierte ein spezielles Praxisseminar für Ärzte – auf See Fotos: BG Verkehr 46 HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 7

Schifffahrt | Shipping Ein kollabierter Skipper auf einer Segelyacht auf dem Stettiner Haff, eine Seglerin mit Herzinfarkt vor Fehmarn oder ein philippinischer Seemann mit starken Schmerzen auf einem Frachtschiff in der Kieler Förde – die Herausforderungen für maritime Mediziner sind groß. Für seine zugelassenen Ärzte veranstaltete der Seeärztliche Dienst der BG ein Seminar an Bord des Großseglers »Alexander von Humboldt II«, um die Theorie mit der Praxis zu verbinden. Diese Ärzte untersuchen sonst Seeleute auf ihre Seediensttauglichkeit, jetzt erlebten sie an Bord die besonderen Herausforderungen der Seefahrt am eigenen Leib. Sonntagvormittag, kurz nach 11 Uhr, einige Seemeilen nordöstlich des Fehmarnsunds. Ein Notruf der Seenotleitung Bremen erreicht die »Alexander von Humboldt II«: Östlich von Fehmarn befindet sich ein führerloses Motorboot, dessen Fahrer über Bord gefallen ist. Sechs Taucher, die zuvor von diesem Boot aus zu ihrem Tauchgang gestartet sind, befinden sich noch im Wasser. Ansonsten ist die Lage unklar. Wo genau treibt der Motorbootfahrer im Wasser? Wie lange sind die Taucher schon im Wasser? Sind sie bereits unterkühlt? Reimer Peters, der Kapitän der »Alex II«, beschließt, sofort den Kurs auf den Unglücksort zu ändern. Er informiert die Seenotleitung, dass sich bei ihm über 40 Ärzte an Bord befinden, darunter mehrere Notfallmediziner. Die Ärzte sind Teilnehmer einer Fortbildung des Seeärztlichen Dienstes und des Seminars »Maritime Notfall-Medizin«. Sofort lassen die beiden Seminarleiter Dr. Philipp Langenbuch und Prof. Dr. Olaf Schedler ein Ärzteteam für die Notfallversorgung der Verunglückten zusammenstellen. »Wir wussten nicht genau, was uns vor Ort erwarten würde«, so Langenbuch. »Die Versorgung von stark unterkühlten Personen ist auch für erfahrene Mediziner kein Routinejob.« Die Anspannung an Bord steigt, je mehr sich die »Alex II« dem Unglücksort nähert. Angestrengt sucht der Ausguck an Bord den Horizont nach Personen ab, die im Wasser schwimmen. Mittlerweile hat die Seenotleitung Bremen weitere Schiffe zum Einsatzort beordert, darunter die beiden Seenotrettungskreuzer »Bremen« und »Hans Hackmack« sowie drei Polizeischiffe und ein Zollboot. Dann, nach einer knappen Stunde und noch bevor die »Alex II« den Unfallort erreicht, kommt die erlösende Nachricht: Sowohl der Motorbootfahrer als auch die sechs Taucher sind unverletzt aus dem Wasser geborgen worden. Um 11.53 Uhr wird die »Alex II« offziell aus dem Seenoteinsatz entlassen. Was es bedeutet, über Bord zu gehen und hilflos im Wasser zu treiben, erfahren einige Ärzte am Nachmittag bei einer Auf der »Alex II« simulierten Mediziner die Notfallbehandliung auf See praktischen Übung. Mit Überlebensanzügen und Schwimmwesten ausgestattet, klettern mehrere Freiwillige eine Leiter an der Bordwand der »Alex II« herunter und lassen sich ins Wasser fallen. Schnell treiben sie vom Schiff weg. Selbst bei ruhiger See ist es schwer, als Gruppe zusammenzubleiben. Gerade das ist aber im Ernstfall überlebenswichtig, um von anderen Schiffen oder Hubschraubern gesehen zu werden. Im Wasser zu treiben ist alles andere als angenehm: Der Eintauchanzug lässt kaum gezielte Schwimmbewegungen zu und die permanent nach oben drückende Rettungsweste schnürt einem die Luft ab. »Man sieht nur noch Wasser um sich. Bei einem echten Notfall in rauer See oder nachts braucht man starke Nerven, um nicht panisch zu werden«, so einer der beteiligten Ärzte. Zum Schluss der Übung müssen die Teilnehmer aus dem Wasser in eine Rettungsinsel hineinrobben – eine echte Kraftanstrengung, die deutlich macht, warum nur körperlich fitte Seeleute ein Seediensttauglichkeitszeugnis erhalten. Kräftezehrend war auch der Einsatz der Feuerwehrleute, die tags zuvor im Mittelpunkt eines weiteren Notfalltrainings an Bord der »Alex II« standen. Das Havariekommando hatte zu einer Großübung eingeladen, an der die Feuerwehren von Bremerhaven, Lübeck und Hamburg sowie die der Bundespolizei beteiligt waren. Das Notfallszenario auf der »Alex II« sah acht Schwer-, zwölf Leichtverletzte und mehrere über Bord gefallene Personen vor. Auf die Rettungsprofis warteten gleich mehrere Herausforderungen: Schon das Aufentern auf die »Alex II« mit dem schweren Notfall ausrüstung brachte die Feuerwehrleute ins Schwitzen. Als nächstes mussten sich die Retter einen Überblick über die Lage verschaffen: Wie viele Verletzte gibt es? Wer muss als Erstes behandelt werden? Wer kümmert sich um welche Verletzten? Die Schmerzensschreie der geschminkten Verletztendarsteller aus allen Ecken des Schiffes und die Beschimpfungen der Retter, sich endlich um die Verunglückten zu kümmern, ließen das Notfallszenario sehr realistisch wirken. Einer der Verletztendarsteller erinnert sich: »Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sich endlich ein Retter um mich kümmerte. Da fühlt man sich schon ganz schön hilflos«. Nach gut einer Stunde hatten die Feuerwehrleute alle Verunglückten erstversorgt. Mit der Übernahme aller Einsatzkräfte auf das Bundespolizeischiff »Bad Düben« endete die Notfallübung. Alle Beteiligten waren sich einig, dass die medizinische Versorgung von Verletzten an Bord eines Seeschiffes ungleich schwerer ist als an Land. Neben praktischen Übungen standen auch zahlreiche Vorträge und Diskussionen auf dem Programm der Fortbildung. Die Fachleute des Seeärztlichen Dienstes informierten über die neuesten Entwicklungen in der maritimen Medizin. Welche Erkrankung führt zur Seedienstuntauglichkeit? Was passiert, wenn ein Seemann nicht mit dem Untersuchungsergebnis eines zugelassenen Arztes einverstanden ist? Welche medizinische Ausstattung steht den Seeleuten auf Seeschiffen zur Verfügung? Das Resümee nach 182 sm – davon 119 unter Segeln: Teamgeist und Seemannschaft lernt man nirgends so gut wie auf einem Großsegler. Auch Seminarleiter Langenbuch zeigt sich zufrieden. »Unsere zugelassenen Ärzte sind jetzt noch kompetenter, die Tauglichkeit von Seeleuten zu beurteilen.« Autor: Christian Bubenzer BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit, Hamburg christian.bubenzer@bg-verkehr.de HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 7 47

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