SCHIFFFAHRT | SHIPPING Die Grafiken zeigen den Weg der »Ever Given« durch den Suezkanal. Bereits vor der Havarie kam das Containerschiff beiden Ufern gefährlich nah © www.marine-pilots.com rung der Propellerdrehzahl bzw. -steigung wiederum eine geringere Anströmung des Ruders einhergehend mit einem entsprechenden Wirkungsverlust. Ist dann das Schiff vom einen Ufer freigekommen, kann in einem begrenzten Kanal gleich wieder der Absetzeffekt an der anderen Seite greifen – das Schiff wird wie eine Billardkugel von Bande zu Bande gedrückt (»Ping-Pong-Effekt«). Fahrtverlauf der »Ever Given« Nach dem oben beschriebenen ersten Absetzen der »Ever Given« an der Nordböschung des Kanals konnte das Schiff zwar zur Kanalmitte zurück gebracht werden, hatte aber inzwischen eine drastisch zu hohe Geschwindigkeit von fast 13 kn. In der Kurve ergab sich beim Eindrehen auf den folgenden langen Nordkurs um 05.25 UTC ein sehr hoher »Rate-of-Turn« (RoT) von bis zu 20°/min. Zwei Minuten später erfolgte ein weiteres Absetzen an der Backbordseite mit einem RoT von >7°/min. Auch dieses konnte nicht ausreichend kompensiert werden. Mit inzwischen bis zu 13,5 kn Geschwindigkeit war das Schiff von Kanalkm 155 bis etwa Kanal-km 153,5 mehr als 3 min lang quasi an der Steuerbordseite »gefangen«. Es stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Schiffsführung ergriffen hat, um in dieser relativ langen und scheinbar »kontrollierten« Phase (relativ geringer RoT) das Schiff zurück in die Fahrwassermitte zu bringen und vor allem die viel zu hohe Geschwindigkeit zu verringern. Um 05.37 UTC setzte das Schiff dann bei Kanal-km 153 mit einem RoT von -8°/min das dritte Mal ab. Bei der hohen Geschwindigkeit dürfte angesichts von fast 16 m-Tiefgang auf maximal 24 m Wassertiefe inzwischen eine sehr starke Squat-Wirkung (Flachwassereffekt) zusätzlich dafür gesorgt haben, dass spätestens jetzt das Schiff als nicht mehr kontrollierbar angesehen werden muss. In der Folge geriet das Schiff mit noch unveränderter Geschwindigkeit in sehr spitzem Winkel in Richtung der Backbordseite des Fahrwassers und setzte dort um 05.40 UTC nochmals mit einem sehr hohen RoT von mehr als -15°/min ab, der letztendlich zum »Verkeilen« des Rumpfes mit Bug und Heck in der Böschung führte. Datenanalyse vs. Untersuchung Diese grobe Analyse beruht nur auf einer begrenzt qualifizierten Datenquelle. Neben den wichtigen Audio-Aufnahmen fehlen in einer rein auf AIS-Daten basierenden Betrachtung so wichtige Daten wie Ruderlage, Maschinenorder und na- © Immens Auch im schmalen Nord-Ostsee-Kanal treten die gefürchteten hydrodynamischen Kräfte auf 34 HANSA – International Maritime Journal 06 | 2021
SCHIFFFAHRT | SHIPPING türlich die Einstellung und damit Nutzung der technischen Ausrüstung. Trotzdem ist für den Verfasser klar erkennbar, dass hier nicht eine »kurze Unaufmerksamkeit« der Schiffsführung vorgelegen haben kann, sondern die Auswertung des VDR ergeben könnte, dass die Schiffsführung (inklusive des beratenden Lotsen) in einer fast 30 min langen dramatischen Phase versucht hat, das Schiff wieder unter Kontrolle zu bringen – wie sich gezeigt hat, vergeblich. Kapitän und Lotse haben während der durchgeführten Manöver nicht den »Helicopter View«, wie wir alle im Nachhinein am »grünen Tisch«. Sie entscheiden in der Situation mit den zur Verfügung stehenden Informationen sowie mit den personellen und technischen Kapazitäten an Bord. Da spielt eine große Anzahl an Faktoren mit: Informationen der Verkehrszentrale (z.B. Wetterbericht, Anlaufbedingungen), kommerzieller Druck, Master-Pilot-Relationship (Informationsaustausch, Sprache, Kultur, Erfahrung, Fortbildungsstand), visuelle Möglichkeiten (z.B. Sichtwinkel von der Brücke), technischer Level der Brückensysteme, Skill-Level des Rudergängers (Kommunikation), Störgeräusche auf der Brücke, Ablenkung durch Funkverkehr, und vieles mehr … Das alles gilt es bei einer Bewertung der Entscheidungen des Brückenteams zu bedenken. Erst wenn all diese Fragen durch eine qualifizierte Unfalluntersuchung durchleuchtet wurden, kann über fallspezifische Konsequenzen diskutiert werden. Deshalb sollen im Folgenden nur grundsätzliche Denk- und Diskussionsanstöße gegeben werden, die letztendlich auch für die deutschen Reviere relevant sein könnten. Eingeschränkte Sicht Für die Schiffsführungen wie auch die Lotsen ist mit der neuen Bauart der sehr großen Containerschiffe ein gewöhnungsbedürftiger Effekt entstanden. Die Brücke der Schiffe ist konstruktiv um ein Drittel der Länge deutlich weiter nach vorn verlegt. Anders lassen sich die erforderlichen Sichtwinkel bei einem voll beladenen Schiff kaum einhalten, ohne mit der Brücke eine praktikable Höhe zu überschreiten. Damit ergeben sich ganz andere Blickwinkel. Wir kennen von den sogenannten »Vorderhukern« auf dem NOK (viele Ro- Ro-Schiffe oder auch Kreuzfahrtschiffe) den Effekt, dass eigentlich nur ein exakt mittig sitzender Rudergänger die Lage des Schiffes wirklich beurteilen kann. Je weiter die Brücke in Richtung Bug liegt, umso schwieriger wird es, die genaue Lage des Schiffes in der Trasse wahrzunehmen. Nach den Bildern vom Beladungszustand zu urteilen, dürfte auch die Möglichkeit, den vorderen Mast als wichtige »Peilhilfe« zu nutzen, massiv eingeschränkt gewesen sein. Hinzu kommt, dass bei dem voll beladenen Schiff auch zur Seite hin vom Brückenpult aus visuell keine Kontrolle der exakten Lage des Schiffes möglich gewesen sein dürfte. Das Foto (S. 32 oben) zeigt die Zufahrt auf die Levensauer Brücke im NOK mit einem größeren Schiff. Es dürfte erkennbar sein, dass hier eine sichere Navigation eigentlich nur mit dem Radar möglich ist. Ähnlich dürfte es sich auf der »Ever Given« im Suezkanal verhalten haben. OSWALD Elektromotoren GmbH produces customised, compact Electric Motors and Generators, following customer specifications regarding electrical and mechanical design. OSWALD motors are known as compact and robust, with high power density, low inertia, high dynamic. New technologies and customised developments are our program. Ask for our solutions: > PM High Torque Motors > PM Synchronous Motors > AC Induction Motors > Torque range up to 400kNm > Power range up to 3.5MW > Direct Drive Main Propulsion > PTI/PTO applications > Shaft Generators > AHC Winches > Hydro Power Plants > Flywheel Energy Storage Contact us at www.OSWALD.de and ask for our Propulsion references HANSA – International Maritime Journal 06 | 2021 35
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