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HANSA 05-2021

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Port Call Collaboration · Analyse der Suez-Havarie der »Ever Given« · Schleppen & Bergen · Seefracht & Logistik · MPP-Neubauten · Nationale Maritime Konferenz 2021 · Claus-Peter Offen

Das Satellitenbild

Das Satellitenbild zeigt, wie sich die »Ever Given« im Suezkanal verkeilt hatte © Maxar Technologies © via Twitter / Marcel Dirsus Gefahr bei Blackout Bauwerften legen die elektrischen Systeme nach SOLAS und Klassenforderung aus. Daraus ergeben sich oft Minimallösungen, die unweigerlich zu unnötig langen Verzögerungen nach einem Blackout führen. Dies wird von den Verantwortlichen vieler Reedereien oft nicht in Frage gestellt, also werden keine Verbesserungen verlangt. Die SOLAS fordert lediglich, dass spätestens 45 s nach einem Blackout die elektrische Notversorgung zur Verfügung stehen muss. Der Klassifikationsverband IACS beschreibt die anzustrebende Zeitspanne, bis die Hauptgeneratoren wieder am Netz sind, mit 30 s. Im Falle eines Blackouts können Sekunden allerdings schnell zu einer Ewigkeit werden. Es gibt angemessen günstige Lösungen, die signifikant kürzere Wiederanlaufzeiten ermöglichen. Klassen sollten sich dieses Themas im Detail annehmen, und Eigner sollten Klassen zu Regeln »ermuntern«, die schneller umzusetzenden »Optimallösungen« entsprechen. Bauliche »Bottlenecks« Der Kraftstoffvordruck reicht – ohne vorheriges Aufschalten des Notgenerators – in der Regel nicht für ein schnelles, direktes und sicheres Wiederanlaufen der Hauptgeneratoren aus. Eine nicht optimierte Einstellung der sequenziellen Standby-Schaltung von Generatoren und Hilfssystemen kommt noch hinzu. Fehlerhafte Inbetriebnahme Auf der Brücke des nachfolgenden Frachters wurde der Moment der Havarie festgehalten Selbst, wenn die elektrischen Systeme optimal bemessen sind, kommt es bei der Inbetriebnahme häufig zu Fehleinstellungen durch die Bauwerften. In manchen Fällen wird das sogar aufgrund von Forderungen der lokalen Klassenvertreter so umgesetzt. Warum? Weil die »Unified (Minimum) Requirements« der IACS oft als umzusetzende Regel missverstanden werden, entsprechend geht häufig zunächst der Notgenerator auf Schiene. Er muss dann erst getrennt werden, bevor die wiederangelaufenen Hauptgeneratoren ans Netz synchronisiert werden können. Man strebt in solchen Fällen aufgrund eines Missverständnisses leider häufig 45 s bis zum Restart an, wo im Normalfall 17–25 s möglich wären. Die Auswirkungen: 17 s entsprechen bei 16 km/h einer zurückgelegten Strecke des Schiffes von 75 m. Bei 45 s sind es hingegen schon 200 m. Wirksame Breite im Kanal Der Suezkanal ist bei km 155 auf 15,7 m Tiefe etwa 200 m breit. Abzüglich der Schiffsbreite und der zusätzlich genutzten Breite – aufgrund des Vorhalte - winkels von 4° bei einem Seitenwind von 40 kn – beträgt die wirksame Breite des Schiffes dann etwa 71 m. Es verbleiben bis zu einer Kollision mit der Böschung nur etwa 64 m zu beiden Seiten, also entsprechend 14 s bei 16 km/h Fahrt durchs Wasser. Im Falle eines Blackouts würde man in diesem Fall keine Propulsion und Ruderwirkung wiedererlangen, bevor das Schiff mit der Böschung kollidiert. Erfahrungswerte Schiffe mit 6.6 kV-Mittelspannungsanlage, wie mit großer Wahrscheinlichkeit auf der »Ever Given« installiert, können bei optimaler Auslegung und Inbetriebnahme etwa 25 s nach einem Blackout die Hauptmaschine wieder starten, ebenso die Querstrahleinrichtungen und das Hauptruder. Die Parameter sind: • ca. 17 s für die Hauptgeneratoren, • ca. 20 s bis die Step Down Trafos zur 440-V-Serviceschalttafel in Betrieb sind, • ca. 25 s, bis Kraftstoff-, Schmieröl- und Kühlwasserdruck für den Neustart des Hauptmotors anstehen. 42 HANSA – International Maritime Journal 05 | 2021

SCA will Schadenersatz Die Suezkanal-Behörde SCA fordert rund 900 Mio. € Schadenersatz von dem Eigner der »Ever Given«, Shoei Kisen aus Japan. Eine Einigung soll nach Möglichkeit außergerichtlich erfolgen, erst danach wollte Ägypten die Weiterfahrt erlauben. Die SCA macht entgangene Einnahmen, die Aufwendungen für die Bergung des auf Grund gelaufenen Containerfrachters sowie die Arbeiten am Kanal geltend. Bei Schiffen mit einem 440-V-Bordnetz kann nach 17–20 s die Hauptmaschine wieder angelassen und die Steuereinrichtungen genutzt werden. Verhalten der Crew Zu berücksichtigen ist das Verhalten der Maschinencrew vor und während einer Kanalpassage. Erfahrene Leitende Ingenieure stellen sicher, dass sich die wichtigen Hilfssysteme für Kraftstoff, Schmieröl, Kühlwasser, Anlass- und Steuerluft, Hilfskesselbrenner und Dampfsystem in einem einwandfreien Zustand befinden. Zudem werden sie ihren Maschinenbesatzungen jegliche Arbeiten an diesen Systemen während der Kanalpassage untersagen. Das bedeutet, dass zum Beispiel keine Arbeiten an Filtern in Kraftstoff- und Schmierölsystemen und auch kein Reinigen eines Seekastenfilters erfolgen. Ebenso werden keine Arbeiten an elektrischen Systemen ausgeführt. Wenn man diese Punkte außer Acht lässt, ist das Risiko eines menschengemachten Ausfalls der Maschinenanlage während der Passage signifikant erhöht. Wichtig ist zudem: Die Regelung aller Generatoren muss auf »Automatik« stehen. Häufig tut sie das jedoch nicht. Das liegt oft an einem falschen Verständnis für den Betrieb der E-Versorgungssysteme, indem ein Chief meint, dort selber eingreifen zu müssen – was bei einem modernen Schiff mit intakter Anlage nicht nötig ist. Auf die Anzahl der in Betrieb befindlichen Generatoren kommt es weniger an, sondern darauf, dass im Falle eines gesteigerten Leistungsbedarfs der nächste Standby-Generator automatisch, unver- David baggert an Goliath: Die ersten Bergungsversuche am Havaristen wirkten eher hilflos © SCA HANSA – International Maritime Journal 05 | 2021 43

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