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HANSA 05-2017

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Schiffstechnik | Ship

Schiffstechnik | Ship Technology Möglicherweise ein künftiges Mahnmal für mehr Sicherheit auf See: das Wrack der »Sewol« Ein Kraftakt für das nationale Gewissen Die Fährkatastrophe hatte im April 2014 tiefe Wunden in die südkoreanische Gesellschaft gerissen. Politiker mussten ihre Ämter abgeben, Seeleute für Jahrzehnte ins Gefängnis. Jetzt ist die »Sewol« nach langen Verzögerungen, vielen Diskussionen und unter großer Anteilnahme geborgen worden. Von Michael Meyer Fotos: South Korean Ministry of Ocean and Fisheries 58 HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 5

Schiffstechnik | Ship Technology Nur 174 der 476 Menschen an Bord überlebten die Havarie der seinerzeit 20 Jahre alten 6.580 BRZ-RoPax-Fähre, die nahe der Insel Jindo im Gelben Meer kenterte. Weil unter den Passagieren über 320 Schüler waren und der Kapitän sowie Teile der Besatzung den Havaristen panisch verließen, anstatt Hilfe zu leisten, löste das Unglück enorme Empörung und große Diskussionen in der südkoreanischen Gesellschaft aus. Tage- und wochenlang wurde mit 169 Schiffen und Booten nach Toten und Überlebenden gesucht. Die Behörden arbeiteten damals fieberhaft an einem Bergungskonzept. Zunächst sollten Hebesäcke das noch zum Teil aus dem Wasser ragende Wrack stabilisieren. Zusätzlich wurden drei Schwimmkrane zur Unglücksstelle beordert. Doch all das nützte nichts, der vollständige Untergang der »Sewol« auf rund 40 m Tiefe konnte nicht verhindert werden. Die Vorbereitungen für die Bergung begann 2015. Im Sommer 2016 machte man sich schließlich daran, 18 Hebearme am Wrack anzubringen. Zuvor wurden 954 m3 ölverschmutztes Wasser abgepumpt sowie Sicherheitsnetze an Fenstern und Türen angebracht. Weil die Krängung und die Wirkungen der Wasserbewegung auf das Schiff – in der für schwierige Bedingungen bekannten Region – nicht ausreichend berücksichtigt wurden, musste das Projekt immer wieder verschoben werden. Daraufhin entwickelte man ein neues Konzept. Letztlich erhielt das chinesische Unternehmen Shanghai Salvage den Bergungsauftrag. Unter dem Wrack sollten Trossen und Kabel geführt und die »Sewol« dann von zwei Bargen gehoben werden. Erst nach erfolgreichen Tests wurde Mitte März dieses Jahres grünes Licht für Aktion gegeben. An 66 Trossen und 33 Hebearmen hängend, wurde die »Sewol« zwischen zwei Pontons auf 13 m über die Wasseroberfläche gehoben. Dabei kamen tiefe Kratzer sowie zwei mehrere Meter lange Risse im Backbord-Vorschiff zum Vorschein. Sie stammten vom Bergungsversuch in 2016, als die Strömung dafür sorgte, dass sich Stahltrossen in den Rumpf »sägten«. Mit den eigens gebohrten Löchern im Rumpf sollten Wasser und Schmutz entfernt werden können, um das Eigengewicht des Schiffes zu reduzieren. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ein neues Problem »auftauchte«: Eine der Laderampen der »Sewol« hing frei unter dem Rumpf. Weil sie ein reibungsloses Absetzen auf dem dafür vorgesehenen Dockschiff verhindert hätte, mussten kurzerhand Taucher noch einmal Hand anlegen. Zudem erwiesen sich die Löcher im Rumpf als weniger effektiv als erhoff, große Mengen Schlamm blieben an Bord – das Eigengewicht betrug zwischenzeitlich nach unterschiedlichen Berichten zwischen 14.500 t oder gar 17.000 t. Das Wrack wurden mit der Steuerbordseite nach oben zwischen den Bargen »Zhao Shang Zhong Gong 1« und „Zhao Shang Zhong Gong 2« befestigt und Ballastwasser abgepumpt. Mit Hilfe von fünf Schleppern wurde die »Sewol« zum bereitstehenden Halbtaucherschiff »White Marlin« der Boskalis-Tochter Dockwise bugsiert. Das dauerte allerdings länger als geplant, weil wiederum die Strömungsbedingungen kleinere Kursänderungen erforderlich machten. An Deck der »White Marlin« festgeschweißt kam die »Sewol« schließlich nach Mokpo, wo in einem Trockendock die genaue Ursache der Havarie geklärt und nach den übrigen Vermissten gesucht werden soll. Dafür musste zunächst über mehrere Tage die Verschweißung getrennt werden. Danach wurde das Wrack von 600 Modultransportern mit jeweils 40 t Kapazität ins Dock gebracht. Eigentlich waren nur 480 vorgesehen, angesichts der Schwierigkeiten entschied man sich jedoch, weitere Einheiten hinzuzuziehen. Am 9. April – über 1.000 Tage nach ihrem Untergang – konnte die »Sewol« schließlich an Land gehoben werden. Vom ursprünglichen Plan, sie für die folgenden Arbeiten besser zu positionieren, wurde Abstand genommen, da die Schäden so groß waren, dass man Sorge hatte, das Wrack könnte auseinanderbrechen. Insgesamt kostete die Bergung rund 72 Mio.$ – nach Ansicht von südkoreanischen Experten ist vermutlich noch nie zuvor ein komplettes Schiff aus so einer Tiefe geborgen worden. Südkoreas Regierung hat, auch auch Druck der Familien, ein großes Experten-Team mit der Suche nach den Vermissten und mit der Aufklärung der Unglücksursache beauftragt. Das war einer der Hauptgründe dafür, dass man das Wrack überhaupt gehoben hat, und zwar in einem Stück. Was genau geschah, ist noch immer nicht restlos aufgeklärt. Angeblich gab es zu viele schnelle Kursänderungen der unerfahrenen dritten Offzierin, wodurch Ladung verrutschte und das Schiff kenterte. Auch ein defektes Ruder wurde als möglicher Grund genannt. Zudem stellte ein Gericht einen unzulässigen Umbau zur Erhöhung der Ladefähigkeit fest. Die »Sewol« galt als regelmäßig überladen und nicht zu wenig Ballastwasser ausgestattet. Den Behörden wurden deswegen Versäumnisse und mangelnde Kontrolle vorgeworfen. Premierminister Jung Hong-won war nach der Havarie zurückgetreten. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Park Geun Hye wird mit der langsamen Aufklärung in Verbindung gebracht. Kurz nach der Havarie war bereits die Besatzung festgenommen worden. Der Reeder wollte sich zunächst ins Ausland absetzen, später wurde seine Leiche gefunden. Der Kapitän wurde zwar vom Mord-Vorwurf freigesprochen, erhielt jedoch letztlich eine Haftstrafe von 36 Jahren. Weitere Crew-Mitglieder wurden zu Strafen zwischen zwischen 15 und 30 Jahren verurteilt. Ihnen wird unter anderem zur Last gelegt, dass sie Passagiere der »Sewol« im Zuge der Havarie aufgefordert hatten, in ihre Kabinen zu gehen. Die wenigen, die sich widersetzen, gehörten zu den wenigen Überlebenden. M HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 5 59

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