SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGYGrößere Schiffe transportieren Güter zwar deutlich effizienter, doch Größe allein wird internationale Klimaziele nicht erreichen© WesterkampViele Wege führen zur EffizienzUm die ambitionierten IMO-Klimaziele zu erreichen, ist nicht nur die Verbesserung vonKraftstoffen oberste Direktive: Die gesamte Schifffahrt muss effizienter werden.STG-Geschäftsführer Hans Jakob Gätjens berichtet über aktuelle EntwicklungenNicht erst seit den konkreten Zielen der IMO, die globaleSchifffahrt in die Klimaneutralität zu überführen, ist Effizienzeines der beherrschenden Themen der Branche. Durch Systemewie FuelEU und EU-ETS mögen Emissionen zum Kostenfaktorgeworden sein, doch das Einsparen von Bunker sowie diemit Wartung verbundenen Ausfälle waren schon vorher Treiberfür Effizienz. »Es ist sinnvoll, zwischen kommerzieller, technischerund umwelttechnischer Effizienz zu unterscheiden«, soHans Jakob Gätjens, Geschäftsführer der SchiffbautechnischenGesellschaft (STG), im Gespräch mit der HANSA.»Im kaufmännischen Sinne könnte man die Renditen der Reedereienals Maß für die Effizienz in der Schifffahrt betrachten«,sagt Gätjens. »Die Renditen der meisten Reedereien haben sich inden letzten fünf Jahren sehr positiv entwickelt. Das ist auch notwendig,um die anstehenden Aufgaben finanzieren zu können.«Die technische Effizienz könne man am Wirkungsgrad vonbeispielsweise Schiffsmotoren und Propellern ablesen. Dieser lassesich jedoch nur noch bedingt weiter optimieren, erklärt Gätjens,und zeichnet ein diversifiziertes Bild: »Nahezu alle Handelsschiffewerden heute von Dieselmotoren angetrieben«, sagt er.»Der Wirkungsgrad ist seit dem Einsatz als Hauptmotor auf der›Selandia‹ im Jahr 1912 in den ersten 80 Jahren von ca. 30 % auf50 % verbessert worden. In den letzten 30 Jahren konnten aberkeine signifikanten Steigerungen erzielt werden.« Damit handeltes sich bei dem Transportsystem Schiff und seine Komponentenum ausgereifte Produkte, ihr Potenzial zur Verbesserung ist begrenzt,die Kosten für die Umsetzung von Maßnahmen hingegenhoch – etwas, das sich heute in Refit-Maßnahmen und dem Ausbauder Infrastruktur für nachhaltige Kraftstoffe zeigt. »VieleTechnologien sind bereits entwickelt, der Einsatz scheitert aberan betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen«, sagt Gätjens.Maßnahmen reichen gerade ausAls Beispiel nennt er die Entwicklung der Brennstoffzelle – einPrinzip, das bereits seit 1839 bekannt ist. »Mit dieser Technologiekönnen höhere Wirkungsgrade im Vergleich zum Dieselmotorerzielt und bei der Verwendung von Wasserstoff schadstoffemissionsfreichemische Energie in elektrische Energie gewandeltwerden«, erklärt der studierte Ingenieur. »Wegen der hohen Herstellungskostenwird diese Technologie zurzeit nur in Nischen –zum Beispiel auf U-Booten – angewendet. Die technologischeMachbarkeit ist in mehreren Pilotprojekten auch auf zivilenSchiffen nachgewiesen.«Als dritter Faktor kommt die umwelttechnische Effizienz derSchifffahrt zum Tragen. Gätjens nennt die Verbesserung der so-42 HANSA – International Maritime Journal 04 | 2025
SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGYgenannten »Environmental Efficiency« eine zentrale Aufgabe dermaritimen Industrie. »Die CO2-Emissionen bezogen auf dieTransportleistung sind ein Maß für die Effizienz«, sagt er. »DieIMO und EU haben hier sehr ambitionierte Ziele definiert.«Hier zeige sich ein Bild, das die Fortschritte bei der Dekarbonisierungder Schifffahrt in ein klares Licht rücke. Im Jahr 2005 wurdedurch die weltweite Schifffahrt etwa dieselbe Menge an CO2emittiert wie auch im Jahr 2023 – mit einem wichtigen Unterschied.»Die von Schiffen jährlich transportierte Ladungsmenge inTonnen ist in diesem Zeitraum jedoch um ca. 80 % gestiegen, sicherlicheine positive Entwicklung«, so Gätjens, gibt aber zu bedenken:»Diese Fakten zeigen auch, dass alle Maßnahmen zurCO2-Minimierung gerade genügt haben, um die Steigerung derEmissionen durch das Wirtschaftswachstum zu kompensieren.«Dieser Zusammenhang zeigt ein zentrales Problem der Effizienzin der Schifffahrt auf. Einerseits sei es laut Gätjens ein Imperativunseres Wirtschafts- und Finanzsystems, stetig weiterzuwachsen– mehr BIP bedeutet auch ein höheres maritimesTransportvolumen. Während Wachstumsfunktionen jedoch Exponentialfunktionensind, haben Wirkungsgrade von Motoreneinen asymptotischen Verlauf: Irgendwann ist die Obergrenze erreicht.»Da benötigt man keine großen Berechnungsmodelle, umzu erkennen, dass eine Entkopplung von Wirtschaftswachstumund CO2-Emissionen durch Verbesserung der Effizienz alleinnicht hinreichend sein kann, um zum Beispiel die IMO-Ziele zuerreichen«, sagt der STG-Chef. Besonders deutlich zu sehen seidas im Verlauf der letzten fünf Jahre: »Im Jahre 2020 waren dieschifffahrtsbedingten CO2-Emissionen aufgrund des Einbruchsdes coronabedingten weltweiten Wirtschaftswachstums auf einemTiefstand in den letzten 20 Jahren«, führt Gätjens aus. »Biszum Jahr 2024 sind die jährlichen CO2-Emissionen um ca. 10 %gestiegen, das maritime Transportvolumen in Tonnen aber nurum 8 %, das heißt, die Emissionen sind prozentual stärker gestiegenals die Transportmenge. Das kann einerseits durch die längerenTransportstrecken – wie zum Beispiel die Umgehung des Suezkanalsab dem Jahre 2023 – und anderen Störungen in derTransportkette erklärt werden. Es zeigt aber auch, dass eine wesentlicheEntkopplung von Wirtschaftswachstum undCO2-Emissionen in der Schifffahrt nicht stattgefunden hat.«Hinzu kommt, dass die Abwrackraten derzeit auf einem sehrniedrigen Niveau liegen, sodass viele alte und damit ineffizienteSchiff nach wie vor in Betrieb sind. Es ist nicht hinreichend, dieNeubau-Effizienz zu verbessern und alte Tonnage umzubauen.»Der Ersatz von fossilen Kraftstoffen durch klimaneutrale synthetischeKraftstoffe ist erforderlich«, sagt Gätjens. »Hier sind inden letzten fünf Jahren Fortschritte gemacht worden. Viele Reedereienhaben Neubauten bestellt, die in der Lage sind, solcheKraftstoffe zu nutzen.«Die Branche macht FortschritteAls einen der großen Fortschritte der letzten Jahre sieht derSchiffbau-Ingenieur einen Wandel der Mentalität. Viele Parteienin der Industrie hätten inzwischen die Notwendigkeit,CO2-Emissionen zu reduzieren, erkannt, und die Regulierungender EU und IMO hätten zwar »Defizite«, würden aber grundsätzlichakzeptiert. Zwar seien darüber hinaus große Innovationssprüngezur Effizienzverbesserung nicht zu erwarten, doch dieSumme von Einzelmaßnahmen dürfe man nicht unterschätzen.»Jeder Tropfen Kraftstoff, der nicht verbrannt wird, zählt«, führtGätjens aus. »Wenn man alle bekannten Maßnahmen in einemNeubau umsetzen würde, wären Effizienzsteigerungen von bis zu20 % möglich. Diese Maßnahmen gehen vom Linienentwurf desSchiffes über die Verbesserung des Wirkungsgrades der Abgasturboladerbis hin zur Beschichtung des Schiffsrumpfes.« Auchim Schiffsbetrieb werden vermehrt Optimierungssysteme hinsichtlichdes Kraftstoffverbrauchs eingesetzt, sowohl für die Routenplanungals auch den Betrieb der Schiffe. »Hier hat sich in denletzten Jahren viel getan.«Beispiele für eine solche Optimierung sind die Installation eines»Mevis Duct«, die Modifizierung von Propellern, die Optimierungvon Bugwülsten und neue Beschichtungen. Auch windgestützteZusatzantriebe, wie zum Beispiel Flettner-Rotoren oderHightech-Segel, werden bereits auf einigen Schiffen erprobt, undim Bereich der Schiffsmotoren findet eine Entwicklung hin zumBetrieb mit alternativen Kraftstoffen statt.Wirtschaftlichkeit bedenkenAllerdings rechnet sich nicht jede Innovation auch wirtschaftlichund dürfte erst bei höheren Kraftstoffpreisen oder CO2-Abgabenrelevant werden. Als Beispiel nennt Gätjens einen Schiffsentwurffür Bulk-Carrier. » Die Entwürfe dieser Schiffe sind teilweise veraltetund haben einen hohen Blockkoeffizienten«, sagt er. »Durcheine Verringerung des Blockkoeffizienten könnte man den Kraftstoffverbrauchund damit die CO2-Emissionen erheblich senken.Allerdings wäre dann auch Tragfähigkeit und Payload bei gleichenHauptabmessungen geringer. Man hat hier also den typischenKonflikt zwischen ›Environmental Efficiency‹ und ›CommercialEfficiency‹. Ein Umdenken in Richtung Umwelt wäre einParadigmenwechsel, der meines Erachtens notwendig, dessenweltweite Umsetzung aber schwierig ist.«Herausforderungen sieht der Experte auch in der Reduzierungder durchschnittlichen Schiffsgeschwindigkeit – eine Maßnahme,die durchaus angebracht scheint, um die Klimaziele derIMO zu erreichen. Bei einer gleichbleibenden Transportleistungist dafür jedoch mehr Schiffsraum nötig, was mehr Neubautenbedeutet. Wie sich das seegehende Transportvolumen in dennächsten Jahren entwickelt – illustriert an den US-Zöllen gegenChina –, sei allerdings fraglich.Weiteren Aufholbedarf sieht Gätjens bei der Steigerung der Effizienzder gesamten Transportkette. »Was nützen die CO2-Einsparungendurch größere und effizientere Schiffe, wenn diese langeauf Reede warten müssen oder im Hafen und im Hinterland dieLkws im Stau stehen und ohne Transportleistung CO2 emittieren?«,so Gätjens. »Eine bessere Planung – zum Beispiel mit Einsatz vonkünstlicher Intelligenz – ist möglich und auch notwendig.«»Ship Efficiency Conference«Aktuelle Entwicklungen in der Schifffahrtseffizienz sindKernthema der »Ship Efficiency Conference«, die am22./23. September 2025 bereits zum zehnten Mal inHamburg stattfinden wird. Ausrichter ist die SchiffbautechnischeGesellschaft (STG). Alternative Kraftstoffeund der Einsatz von Kernkraft wird ebenso besprochenwie die Prozessoptimierung mithilfe Künstlicher Intelligenz.Weitere Informationen zu Anmeldung und Preisen unter:www.stg-online.orgHANSA – International Maritime Journal 04 | 202543
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