SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGYTui Cruises mit neuer Schiffsklasse auf SeeDie Hamburger Kreuzfahrt-Reederei hat ihr erstes komplett neu konzipiertes Schiff seitzehn Jahren erhalten: »Mein Schiff Relax«, die erste von zwei »InTUItion«-Einheiten. VicePresident Denis Wiechert spricht über das Konzept, Schiffsgrößen und KraftstoffeDie erste neue Schiffsgeneration von Tui Cruisesseit 10 Jahren – hat man sich bewusst soviel Zeit gelassen?Denis Wiechert: Das würde ich nicht sagen.Wir haben ja schon einen sehr straffen Kurshingelegt. Von 2014 bis 2019 haben wir jedesJahr ein neues Schiff in Dienst gestellt. Wirsind sehr froh darüber, dass der Markt dashergegeben hat und unsere Gäste das Produktangenommen haben. Die lange Bau- und Planungszeitfür die neue Baureihe startete 2017.Da haben wir uns nicht bewusst viel Zeit gelassen,sondern nur so viel Zeit, um das Produktso zu gestalten, wie es jetzt letztlich gewordenist.Nach »Mein Schiff 6« folgten mit »Mein Schiff 1« und »MeinSchiff 2« die ersten überarbeiteten Einheiten. Nach welchen Kriterienhaben Sie damals die »Blu-Motion-Class« überarbeitet?Wiechert: Wir hatten die Chance, das Schiff um fast 20 m zu verlängern.Da war die Idee, dass diese Verlängerung dort stattfindet,wo der Gast von allen Seiten partizipiert. Das bedeutet, dass esnicht einfach nur darum ging, mehr Kabinen an Bord zu bringen,sondern auch der persönliche Freiraum für Sport, Wellness und natürlichKulinarik mitwächst. Alle Konzepte an Bord werden regelmäßigüberprüft. Außerdem fließt das Feedback der Gäste ein oderauch Trends. Bei der »Mein Schiff 7q kam so zum Beispiel das »Hideki«-Restaurant(ein asiatisches Spezialitätenrestaurant, Anmerkungd. Redaktion) hinzu. Das italienische Spezialitätenrestauranthaben wir ein Deck tiefer positioniert, weil wir wussten, dass einItaliener ein leicht auffindbares Restaurant an Bord ist. Das funktioniertauf dem deutschen Markt einfach immer. Das »Hideki«hingegen haben wir räumlich nach vorne gesetzt und so einen gutenGuest-Flow und eine gute Auslastung der Restaurants erreicht.Denis WiechertVC Product Management Tui CruisesDas sind so Kleinigkeiten, die aber eine großeWirkung erzielen.»Mein Schiff 7« wurde vielfach als das ausgereiftesteSchiff der Flotte bezeichnet. Wieanspruchsvoll ist dann die Aufgabe, eine neueSchiffsklasse zu entwickeln?Wiechert: Das ist immer anspruchsvoll undvöllig unabhängig von der »Mein Schiff 7«.Hinter der Idee für die »Mein Schiff Relax«stand von Anfang an, etwas ganz Neues zuschaffen und trotzdem das »Mein Schiff« Erlebniszu erhalten. Dabei hat uns sehr geholfen,dass wir uns von vorneherein festeParameter gesetzt haben, wie wir das Schiffweiterentwickeln und wie wir das Produktweiterentwickeln wollen. Wir sind nicht nur bei der Gästeanzahlgrößer geworden, sondern haben auch mehr Freiraum für denGast geschaffen. Einer der Schwerpunkte war die Kulinarik. Wirversuchen uns bei der Entwicklung immer in die Rolle des Gastesund das Urlaubsempfinden hineinzuversetzen. Das kann beispielsweisebeeinträchtigt werden, wenn es irgendwo lange Wartezeitengibt. Das sollte nicht passieren, wenn man ein Schiff vergrößert.Ebenso kann das Urlaubsempfinden gestört werden,wenn man nicht mehr seinen individuellen Freiraum hat undentsprechend haben wir das Schiff nach einem dezentralen Ansatzgestaltet. Die »Mein Schiff 7« hat hier also keine besondereRolle bei der Entwicklung eingenommen.Kulinarik, Wellness oder Fitness? Was sind aus Ihrer Sicht diewichtigsten Komponenten für eine gelungene Kreuzfahrt?Wiechert: Die wichtigste Komponente für eine gelungene Kreuzfahrtist, dass die persönlichen Wünsche des Gastes erfüllt werdenkönnen. Wir haben gemerkt, dass Kulinarik für viele Men-»Mein Schiff Relax« in Palermo.Für die HANSA warChristoph Assies an Bord© Assies38 HANSA – International Maritime Journal 04 | 2025
SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGYschen einen sehr hohen Stellenwert hat, den wir natürlich berücksichtigen.Freiraum und Wohlfühlen in Verbindung mitSport und Wellness passt perfekt zu unserer Zielgruppe und daherist das »Wohlfühl-Thema« für uns das wichtigste.Die italienische Werftgruppe Fincantieri hat die Plattform »ProductMille« entwickelt. Für die »Mein Schiff Relax« wurde eineeigene Plattform entwickelt. Wie wichtig war die Vorarbeit derWerft für die Konzeption der »Mein Schiff Relax«?Wiechert: Fincantieri hat ein unglaubliches Wissen. Das Unternehmenhat über 100 Kreuzfahrtschiffe gebaut, das ist sehr wertvollfür uns und unsere Entwicklung. Wir haben eine eigenePlattform im Grunde vom ersten Strich mit entwickelt. Dabei waraber die Erfahrung von Fincantieri unglaublich wichtig und hilfreich,um unsere Ideen umsetzen zu können.Die »Mein Schiff Relax« ist deutlich größer als die vorherigenSchiffe der Flotte. Wie gelingt es trotzdem das, wofür Tui Cruisessteht, Wohlfühlen und Erholung, auf dem Neubau mit maximalrund 4.000 Passagieren zu vermitteln?Wiechert: Die Frage möchte ich gar nicht selbst beantworten. Ichhabe in den letzten Tagen viele gute Gespräche mit Menschen geführt,die uns sehr gut kennen und die sich das zunächst gar nichtvorstellen konnten bei der Größe des Schiffes. Die Rückmeldungwar aber, dass es sehr gelungen ist und man sehr viel Freiraum anBord genießen kann. Für uns hat dieses Schiff eine ideale Größeund wir konnten hier in einer Struktur bauen, dass die unterschiedlicheVenues an Bord miteinander spielen und der Gasteben doch das Produkt wiedererkennt.Tui Cruises ist ein Joint Venture aus der Tui AG und der US-amerikanischenReederei Royal Caribbean International. Inwieweitsteckt RCL im Konzept der »Mein Schiff Relax«?Wiechert: Wir haben mittlerweile das achte Schiff gebaut. Dabeifließen viel eigenes Wissen und eigene Ideen zum Konzept undzum Design ein, gleichzeitig profitieren wir von der Expertise,die Royal Caribbean einbringt. Wir erhalten das Feedback unsererGäste, die uns spiegeln, was sie gut finden oder was optimiertwerden kann und Royal Caribbean bringt das eigene Wissen zurStrukturierung eines Neubaus und die Erfahrung aus ihren vielenMärkten ein. Gemeinsam erreichen wir in allen Bereichen, wieDesign oder Schiffbau, sehr gute Ergebnisse. Das ist ein sehr gutesMiteinander, beide Seiten profitieren.Wir bleiben bei der Verwandtschaft zu Royal Caribbean. Dort hatman im vergangenen Jahr mit der »Icon of the Seas« das größteKreuzfahrtschiff der Welt in Dienst gestellt, weitere Einheiten folgen.Insbesondere bei den Aufzügen setzt man an Bord er »Icon«auf intelligente Steuerung der Gästeströmungen. Wie wichtig istdieser Aspekt bei der Neukonzeption eines Kreuzfahrtschiffes?Wiechert: Das ist total wichtig und eigentlich ein Wink zu derFrage zuvor. Ich kann mich daran erinnern, dass wir bei der Konzeptionder »Mein Schiff Relax« früh darüber gesprochen haben,ob wir nun zwei oder drei Treppenhäuser benötigen und dieses»destination based System« bei den Aufzügen, was eben auf der»Icon of the Seas« verbaut ist, einsetzen oder nicht. Bei diesenDiskussionen profitieren wir sehr von der Zusammenarbeit mitRoyal Caribbean, denn das sind essenzielle Strukturthemen fürein neues Schiff. Wenn man bei der Plattform am Anfang einzelneBereiche für bestimmte Komponenten reserviert, kann darausder Gäste-Flow abgeleitet werden. Wir haben uns dazu entschlossen,vor allem bei der Kapazität der Aufzüge zu wachsen. EinemAnstieg des Gäste-Volumens von 39 % steht ein Kapazitätswachstumbei den Aufzügen von 80 % gegenüber, weil wir die Gästeeinfach zügig leiten wollen. Die Aufzüge sind nicht »destinationbased«, wir steuern die Auslastung so, dass der Lift eben nicht aufjedem Deck anhält, wenn er ohnehin schon ausgelastet ist.Große Kreuzfahrtschiffe sind für Reedereien wesentlich effizienterzu betreiben, auf dem deutschen Markt sind Megaliner immernoch umstritten. Ist der deutsche Markt nicht offen oder (noch)nicht bereit für größere Kreuzfahrtschiffe?Wiechert: Ich glaube, dass der deutsche Markt viele unterschiedlicheKundenwünsche hat und von daher wird es auch viele Gästegeben, die ganz unterschiedliche Schiffsgrößen präferieren. Wirhaben für uns nun diese Schiffsgröße als ideal definiert. Für unswürde ich nicht über Megaliner nachdenken. Mit größeren Schiffenstünden auch weniger Destinationen zur Verfügung.Bis zu welchem Punkt sind noch Änderungen auf der »MeinSchiff Flow«, die jetzt schon entsteht, möglich?Wiechert: Pauschal ist das schwer zu sagen, durch die individuelleBauweise bei Fincantieri können wir aber schon in die einzelnenVenues eingreifen. Grundsätzlich sind die Änderungen zwischenden beiden Schiffen aber bereits geplant. Wenn da jetzt eingrößeres Thema auftaucht, dann müssten wir mit Fincantieri inden Austausch gehen. Designänderungen sind die leichterenDinge, Konzeptänderungen werden ohnehin frühzeitig geplant,die würden wir jetzt nur noch angehen, wenn es wirklich Aspektegibt, die so gar nicht funktionieren. Beim aktuellen Feedback seheich das allerdings nicht.Die »Mein Schiff Relax« ist das erste Schiff der Flotte mit LNG-Antrieb. Mitbewerber haben mit dieser Technologie schon Erfahrungen,sie gilt als Übergangstechnologie, auf der »Mein Schiff7« bereitet man sich auf Methanol-Einsatz vor. Was ist aus IhrerSicht die Technologie der Zukunft?Wiechert: Wir bleiben bewusst flexibel bei der Nutzung emissionsarmerTreibstoffe. Mit den Dual-Fuel-Motoren haben wirdafür eine gute Möglichkeit geschaffen. Wichtig ist, dass emissionsarmeKraftstoffe in ausreichenden Mengen verfügbar gemachtwerden. Ansonsten setzen wir auf Landstrom dort, wo esgeht. Wir haben mit den Schiffen gut geplant und sind so für dieZukunft gewappnet.Interview: Christoph AssiesEin Fokus beim Konzept: Eine großzügige Raumgestaltung.Hier ein Bild des Eingangsbereichs für das Atlantik Restaurant mit Atlantik Bar© AssiesHANSA – International Maritime Journal 04 | 202539
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