Aufrufe
vor 2 Jahren

HANSA 04-2020

  • Text
  • Hansaplus
  • Maritime
  • Hansa
  • Ships
  • Cruises
  • Shipping
  • Vessels
  • Fincantieri
  • Thrusters
  • Schifffahrt
  • Hamburg
HANSA-Survey Pods | Propeller | Offshore-Marktkompass | Monitoring | Digitaler Schiffsbetrieb | Kreuzfahrt | Ostsee-Häfen | E-Konnossement | Arktische Schifffahrt | Portum Capital

Schifffahrt | Shipping

Schifffahrt | Shipping Das russische Eis bricht nur in Teilen Russland treibt die Entwicklung der arktischen Nordostpassage voran. Die Pläne sind sehr ambitioniert. Doch absehbar geht es vor allem um Teilstrecken. Von Michael Meyer Nach offiziellen Statistiken der Northern Sea Route Administration lag das Transportaufkommen in der Nordostpassage im vergangenen Jahr bei 31,5 Mio.t, »eine signifikante Steigerung«, wie es hieß. Der Großteil entfällt auf LNG, 20,5 Mio.t wurden vom Terminal Sabetta exportiert. Arild Moe, Wissenschaftler am norwegischen Frithjof-Nansen-Institut, befasst sich seit Jahren mit der Nordostpassage. Er ist skeptisch, ob das steile Transportwachstum der vergangenen zwei Jahre aufrechterhalten werden kann: »Das lag an der Umsetzung des Yamal-LNG-Projekts, es hat aber bereits einen Höhepunkt erreicht. Wir werden also immer noch einen gewissen Anstieg sehen, aber nicht so steil wie im vergangenen Jahr.« Nicht-Gas-Transporte stammen vorwiegend aus dem Breakbulk- und Heavylift-Segment, das Maschinen und Industrieprojekte für den Aufbau der Rohstoff-Ausbeutung liefert. Die russische Regierung unter Präsident Putin plant Steuererleichterungen für Rohstoffkonzerne in der Arktis, das könnte zu weiteren Aktivitäten führen. Wenn die Entwicklung für das nächste große Projekt »Arctic LNG 2 « startet, womit Ende dieses Jahres gerechnet wird, werde man eine Zunahme an Material- Transporten sehen. Auch wenn sich die technischen Lösungen für dieses neue Projekt von denen für »Yamal LNG« unterscheiden. Die Verflüssigungsanlage und die LNG-Trains werden nicht in der Ob-Bucht, sondern in Murmansk gebaut. »Dennoch müssen sie das Terminal am Standort mit erheblicher Bautätigkeit fertigstellen«, meint Moe. Bei Seetransporten dieser Art handelt es sich allerdings nicht um komplette Passagen des Nördlichen Seewegs, sondern vorwiegend um den Export von Ressourcen, etwa aus Sibirien über den Hafen Sabetta und europäische Transshipment-Häfen in alle Welt. »Es stellt sich die Frage nach der kommerziellen Sinnhaftigkeit« Arild Moe, Frithjof-Nansen-Institut Laut der russischen Behörde gab es 2019 nur rund 37 Schiffe, die 697.200 t transportierten, allerdings war auch dies eine deutliche Steigerung. Weil ein großer Teil der Ladungen jedoch für Asien bestimmt ist, sollen auch die Abfahrten ostwärts gesteigert werden – wo die Witterungsbedingungen Schiffstransporte aber noch mehr erschweren als westgehend über Murmansk. Die Anzahl der Komplettpassagen ohne Zwischenstopp in einem russischen Hafen ist sehr klein. Das hat auch kommerzielle Gründe, mehr oder minder regelmäßige Dienste gibt es so gut wie gar nicht. Moe geht nicht davon aus, dass ein signifikanter Anstieg in den kommenden Jahren zu beobachten sein wird. Anders als in der nordamerikanischen Nordwestpassage, wo das Abschmelzen der Polkappen gerade nicht zu weniger, sondern zu mehr Eis in der Passage führt (HANSA 04/19), ist die Tendenz im Norden Russlands: Immer weniger Eis. Nordost ist nicht Nordwest Das liegt unter anderem an den Windverhältnissen. Dennoch bleibt ein kommerzielles Risiko für Reedereien: »Selbst wenn die Tendenz klar ist, kann es von Jahr zu Jahr und selbst innerhalb einer Saison zu großen Abweichungen kommen, die eine klare Vorhersage deutlich erschweren« so die Ansicht des norwegischen Wissenschaftlers. Daher hält er auch Liniendienste mit strikten Zeitplänen für unwahrscheinlich: »Es ist technisch möglich, aber es stellt sich die Frage nach der logistischen und kommerziellen Sinnhaftigkeit.« Russlands Regierung versucht seit Jahren, die Nordostpassage weiterzuentwickeln, Präsident Wladimir Putin nannte sie sogar einmal »Hauptverkehrsader der Zukunft«. Doch Kritiker bemängeln nach wie vor den Zustand der Infrastruktur. Aktuell wird vor allem die Ausbeutung der arktischen LNG- und weiterer Rohstofffelder vorangetrieben. Allerdings geht es dabei auch kurzfristig nicht um Komplett-Passagen. »Es gibt einen sehr In der Arktis – hier beim Projekt »Yamal LNG 2« – sind die wechselnden Witterungsbedingungen eine große Herausforderung für die Schifffahrt © Novatek 26 HANSA – International Maritime Journal 04 | 2020

Schifffahrt | Shipping starken politischen Willen, die Transporte zu erhöhen – vor allem im Zielverkehr«, so Moe. Mittelfristig sollen zwar auch Transite erhöht werden. Aktuell ist aber alles auf den Export ausgerichtet, vor allem von LNG, aber auch von Öl und Kohle. »Eine Idee dahinter ist, dass diese Projekte eine Infrastruktur benötigen, die dann in der nächsten Phase der Schifffahrt für Komplett-Transite dienen kann«, meint der Norweger. Das sei schon ein kleiner Wandel, da vor einigen Jahren auch Komplett-Transite immer wieder auch als kurzfristiges als Ziel ausgegeben wurden. Die Realität hat die Verantwortlichen jedoch eines Besseren belehrt. Letztlich ist die Entwicklung der inländischen Industrie der Haupttreiber für das derzeitige Engagement. Erklärtes Ziel ist es, das Transportvolumen im nördlichen Seeweg bis 2024 auf 80 Mio.t pro Jahr anzuheben. Moe bewertet dies als »sehr optimistisch«. Aber dennoch: »Die Pläne für LNG sind tatsächlich realistisch, 40 bis 50 Mio.t. bis 2024 sind denkbar, in anderen Segmenten sieht das aber anders aus«, so Moe. Ausbau in Sabetta und Murmansk Zur Umsetzung der Ziele sind einige Neubauprojekte nötig, sowohl Tanker als auch Eisbrecher und Service-Schiffe werden dringend gebraucht. Zu den Adressaten der Neubau-Aufforderung gehört auch die 2003 vom Staat gegründete Rosmorport- Gruppe, die in 65 der 67 Seehäfen des Landes aktiv ist. Zu ihren Aufgaben gehört die Modernisierung der Häfen, Infrastrukturund Baggerarbeiten sowie Navigationshilfen. Die Gruppe betreibt nach eigenen Angaben mit 36 Einheiten die größte eisbrechende Flotte der Welt. Bis 2024 sollen neun Eisbrecher dazukommen. 2019 gab es 130 Einsätze von Rosmorport-Eislotsen in der Nordostpassage und in polaren Gewässern, vor allem für LNG-Transporte von Sabetta. Dort gibt es auch das größte Hafenbauprojekt der Region. Der Standort an der Yamal-Halbinsel soll auf eine Kapazität von 17,85 Mio.t erweitert werden. Der 49 km lange Seekanal, der 6 km lange Zufahrtskanal, die 138 ha Hafenbereiche und die Liegeplätze werden mit Rangierraum und Tiefen ausgestattet, damit auch große Schiffe wie LNG-Tanker bedient werden können. Die Tiefen ermöglichen die ganzjährige Bedienung der Gastanker der Eisklasse Arc7 vom Typ »Christophe de Margerie« mit einer Länge von 299 m, einer Breite von 50 m und einem Tiefgang von 13 m, heißt es. Auch in Murmansk im Westen wird investiert. So wird die Kapazität um 2,5 Mio.t erhöht, auch das Kohle-Transshipment soll erweitert werden. Darüber hinaus sollen Navigationshilfen und VTMS realisiert werden. Laut der Northern Sea Route Directorate stehen entlang der Passage einige »ambitionierte« Baggerprojekte an. Sie sollen alle 2022 abgeschlossen werden. Dazu zählen Vertiefungen der Flüsse Ob und Irtysh für eine bessere Anbindung an Hinterlandregionen. Feeder-Container-Linie? Nach und mit der Verabschiedung des NSR Infrastructure Development Plans soll sich die Behörde des Projekts einer ganzjährigen Aktivität des Seewegs annehmen. Dort sieht man sich mit der Eisbrecherflotte gut aufgestellt. Zumindest mit Blick auf den Bau von fünf neuen Einheiten vom Typ LK-60 und einem Leader-Eisbrecher, der 2020 kontrahiert werden soll. Sollten zudem die Pläne des Unternehmens Novatek zum Bau von vier Eisbrechern umgesetzt werden, könne man die eigenen Einheiten nach Osten verlegen, um eine ganzjährige Navigation ab 2025 zu ermöglichen, heißt es gegenüber der HANSA. Auch der staatliche Atomkonzern Rosatom plant Milliardeninvestitionen für die Nordostpassage. Von insgesamt 7 Mrd. $ an Investitionen soll für knapp 6 Mrd. $ eine neue Handelsflotte aufgebaut werden. Der Rest ist für die Modernisierung der Hafeninfrastruktur und von Werftstandorten gedacht. Führende Linienreedereien wie Maersk, CMA CGM und Hapag-Lloyd hatten einer regelmäßigen Nutzung eine Absage erteilt, wegen Abstract: The Russian ice breaks only partly des engen eisfreien Zeitfensters aus wirtschaftlichen, aber auch aus ökologischen Gründen. Die russischen Pläne sehen vor, dass Feederschiffe aus europäischen und asiatischen Häfen bis nach Murmansk bzw. Kamtschatka fahren. Von dort könnte ein russischer Operateur die restliche, 3.000 sm lange Strecke übernehmen. Das Direktorat geht nur von einer moderaten Nachfrage nach vollständigen Transiten bis 2035 aus – »maximum 3 Mio.t«, immerhin eine deutliche Steigerung von den 700.000 t in 2019. »Wenn in Murmansk und Petropawlowsk-Kamtschatski Logistikzentren gebaut werden und wenn es uns gelingt, den Bau von Eisklassen-Schiffen mit 5.000 bis 10.000 TEU voranzutreiben oder ein Konsortium mit ausländischen Reedereien einzugehen, ist das durchaus möglich. Natürlich würde das die ganzjährige Schifffahrt erleichtert«, ließ sich die Behörde bereits in russischen Medien zitieren. Eine generelle Herausforderung ist jedoch ein neues Gesetz, ein russischer »Jones Act« sozusagen. Es besagt, dass alle Schiffe, die in den arktischen Rohstoff-Projekten involviert sind, auf russischen Werften gebaut werden müssen. »Es ist fraglich, ob diese Ziele miteinander in Einklang gebracht werden können, denn es mangelt trotz Modernisierungsbestrebungen an Werftkapazität«, meint Moe. Darüber können auch einige Leuchtturm- Projekte nicht hinwegtäuschen. Der Norweger rechnet damit, dass die Behörden Ausnahmegenehmigungen für Reeder erteilen, sicher ist das jedoch nicht. n Russia is massively promoting the development of the Arctic Northern Sea Route as a regular shipping route. The plans are very ambitious. But for the time being, it is foreseeable that the main focus will be on partial routes. Arild Moe, scientist at the Norwegian Frithjof Nansen Institute, is sceptical whether the transport growth of the past two years can be maintained at this rate. HANSA – International Maritime Journal 04 | 2020 27

HANSA Magazine

HANSA Magazine

Hansa News Headlines