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HANSA 04-2017

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Schifffahrt | Shipping »MOL Comfort«: Gericht bestätigt erstmals Spediteurshaftung Der Untergang der »MOL Comfort« vor vier Jahren beschäftigt nach wie vor die Justiz. In einem aufsehenerregenden Urteil hat jetzt das Oberlandesgericht Hamburg erstmals die Haftung eines deutschen Spediteurs bestätigt Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Oberlandesgericht zu der Frage Stellung genommen hat, ob der in Anspruch genommene deutsche Spediteur für den Verlust von Containern haftet, zu dem es aufgrund des spektakulären Unfalls gekommen war. Das Schiff war am 17. Juni 2013 im Arabischen Meer bei nicht ungewöhnlichen Wetter- und Seegangsverhältnissen auseinander gebrochen. Die beiden Teile und die Ladung gingen unter, Personen kamen nicht zu Schaden. Ein deutscher Ladungsversicherer machte nunmehr aus übergegangenem Recht seines Versicherungsnehmers gegen einen in Deutschland ansässigen Spediteur Ansprüche auf Schadenersatz geltend. Bei dem Versicherungsnehmer handelte es sich um einen deutschen Importeur, der zu FOB-Bedingungen elektronische Bauteile von einem Lieferanten in Taiwan erworben und den Spediteur mit der Abholung der Ware beauftragt hatte. Der Ladungsversicherer klagte vor dem Landgericht Hamburg Ansprüche auf Schadenersatz in Höhe von 30.297 €. Das Gericht hatte in anderen Fällen zuvor in einer ganzen Reihe von Entscheidungen die Klagen gegen deutsche Spediteure abgewiesen. In dem nunmehr eingeleiteten Verfahren hat das Landgericht erstmals die Haftung eines Spediteurs bestätigt. Das Gut sei zwar mit einem see- oder ladungsuntüchtigen Schiff befördert worden, so das Landgericht, der Spediteur habe aber nicht den erforderlichen Entlastungsbeweis geführt, dass dieser Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken gewesen sei. Die mittels der beiden Ladungsrechnungssysteme errechneten Tiefgangswerte im Hafen von Singapur seien so massiv von den tatsächlich abgelesenen Werten abgewichen, dass der Kapitän und der Erste Offizier der »MOL Comfort« die Ursachen dafür hätten ergründen müssen. Da zu- Foto: VWAm Fot wikimedia commons 24 HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 4

Schifffahrt | Shipping gleich rechnerisch das zulässige Biegemoment des Schiffes vollständig ausgelastet gewesen sei, so das Landgericht weiter, habe dies in Kombination mit den hohen Torsionsmomenten und Scherkräften und unter Berücksichtigung des nicht berechneten starken »Hogging«-Zustandes ein klares Warnsignal sein müssen, dass die Integrität des Schiffsrumpfes eingeschränkt sein könne. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat das Oberlandesgericht Hamburg diese Ausführungen des Landgerichts bestätigt. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Schiffsführung angesichts der im Hafen von Singapur tatsächlich festgestellten Rumpfverbiegung (»hogging«) verpflichtet gewesen sei, vor einer Weiterfahrt die Ursachen der mit den Ergebnissen der Ladungsrechner nicht zu vereinbarenden Verbiegung zu untersuchen. Das Oberlandesgericht ging allerdings davon aus, dass die Reise nicht erst in Singapur, sondern bereits im Vorhafen Hongkong angetreten worden sei. Es ließ offen, ob der Mangel der Seetüchtigkeit des Schiffes bereits dort zu entdecken gewesen sei. Auch während der Reise sei der Verfrachter zur Ladungsfürsorge verpflichtet. Hiergegen habe der Spediteur verstoßen, weil die Schiffsführung trotz der eindeutigen Warnsignale auf eine eingeschränkte Integrität des Schiffsrumpfes in Singapur die Fahrt fortgesetzt habe. Außerdem kam das Oberlandesgericht Hamburg zu dem Ergebnis, dass der in Anspruch genommene Spediteur nicht zu den Personen gehöre, die zur Beschränkung der Haftung für alle Ansprüche aus einem Ereignis berechtigt seien. Der Spediteur habe nicht darlegen können, dass er Slot-Charterer des Schiffes gewesen sei. Er habe nicht auf der »MOL Comfort« einzelne Stellplätze über einen längeren Zeitraum angemietet. Der Spediteur habe lediglich die Rechtsstellung eines Multimodal-Frachtführers und Verfrachters gehabt und gehöre damit nicht zu den Personen, die zur Beschränkung der Haftung berechtigt seien. OLG befasst sich auch mit Stück-Höchstbetrag Die zuvor zusammengefassten Hinweise des Oberlandesgerichts haben zwar erhebliche grundsätzliche Bedeutung, nehmen aber in dem Urteil tatsächlich nur einen geringen Raum ein. Das Oberlandesgericht hat sich in der Entscheidung daneben mit weiteren Fragen befasst. Im Seefrachtrecht ermittelt sich im Falle des Verlustes und der Beschädigung des Gutes der Höchstbetrag der Haftung des Verfrachters zu zwei Sonderziehungsrechten (SZR) pro Kilogramm des Rohgewichts des Gutes (Kilogramm- Höchstbetrag) oder 666,67 SZR pro Stück (Stück-Höchstbetrag). Maßgeblich ist der jeweils höhere Betrag. Im Falle einer Containerbeförderung stellt sich die Frage, ob der Container oder die in den Container gestauten Gegenstände – im vorliegenden Falle 199 Kartons – die maßgeblichen Stücke für die Anwendung des Stück-Höchstbetrages sind. Das Landgericht war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Container das maßgebliche Stück sei. Entsprechend errechne sich ein Stück-Höchstbetrag von (1x) 666,67 SZR. Ausgehend von einem Gewicht des verloren gegangenen Gutes von 1.762,00 Kilogramm ergebe sich ein Kilogramm-Höchstbetrag von 3.524,00 SZR (entsprechend 4.577,3825 €). Dieser sei daher als der höhere Betrag maßgeblich. Der Höchstbetrag blieb deutlich hinter dem tatsächlich eingetretenen Schaden von 30.297 € zurück. Hätte das Landgericht die Kartons als die maßgeblichen Stücke angesehen, wäre ein Stück-Höchstbetrag von (199 x 666,67 =) 132.667,33 SZR maßgeblich gewesen. Dieser hätte weit über dem geltend gemachten Schaden gelegen und sich daher nicht ausgewirkt. Das Oberlandesgericht bestätigte auch insoweit das Urteil des Landgerichts. Hat der Verfrachter ein Beförderungsdokument, also ein Konnossement oder einen Seefrachtbrief ausgestellt, kommt es für die Ermittlung des maßgeblichen Stückes auf den Inhalt dieses Dokuments an. Im vorliegenden Falle hatte der Spediteur allerdings kein solches Dokument ausgestellt (wohl aber ein von ihm beauftragter Unter-Verfrachter). Der Ladungsversicherer hatte daraufhin bereits mit der Klage auch einen Anspruch auf Ausstellung eines Konnossements (über die Beförderung des Containers mit darin gestauten 199 Kartons) durch den Spediteur rechtshängig gemacht. Das Landgericht wies die Klage insoweit ab. Das Oberlandesgericht bestätigte dies in seiner Entscheidung. Die nachträgliche Ausstellung eines Konnossements zum Zwecke der günstigeren Berechnung des Höchstbetrages komme nicht in Betracht. Darüber hinaus hatte das Landgericht erläutert, dass im Hinblick auf die Ermittlung des maßgeblichen Stückes nicht auf das vom Unter-Verfrachter ausgestellte Konnossement und die Angaben darin abgestellt werden dürfe. Auch dieses Ergebnis wurde vom Oberlandesgericht Hamburg, in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung, bestätigt. Autor: Klaus Ramming Rechtsanwalt | Dipl.-Ing. Seeverkehr Lebuhn & Puchta – Partnerschaft von Rechtsanwälten und Solicitor mbB Abstract: »MOL Comfort«: Court recognizes forwarder liability for the first time The sinking of container vessel »MOL Comfort« is still keeping justice busy. In a spectacular trial, the higher regional court of Hamburg has now recognized forwarder liability for cargo loss in the sinking of a vessel – a first in German jurisdiction. A German shipper was found liable for the loss of cargo that a German customer had ordered in Taiwan. The vessel sank in the Arabian Sea in 2013 in usual weather and sea state after breaking in half. The court found that although the vessel sank because it was not seaworthy its condition could have come to the shipper’s attention well before leaving the port of Singapore. The ruling ins groundbreaking as German courts have rejected similar claims several times before. Further information: redaktion@hansa-online.de HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 4 25

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