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HANSA 03-2023

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SCHIFFFAHRT | SHIPPING

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Döhle geht mit Tilla neue Crewing-Wege Das von Flagship Founders gegründete deutsche Start-up Tilla Systems will den Crew-Wechsel und bald auch das Crew-Mangement auf eine neue Ebene hieven. Mit der Reederei Peter Döhle setzt ein erster Kunde die Plattform bereits umfänglich ein. Wie läuft die Zusammenarbeit? Man könnte meinen, dass es durchaus die eine oder andere Hürde zu überwinden gibt, wenn ein junger Tech-Player und ein Unternehmen wie die Peter Döhle Schiffahrts-KG, die 1956 gegründet wurde und mittlerweile 2.000 Mitarbeiter in 30 weltweiten Niederlassungen umfasst, sich an einen Tisch setzen, um gemeinsam an einer neuen Plattform zu arbeiten – die dann später dem gesamten Schifffahrtsmarkt angeboten werden soll. Doch die Zusammenarbeit war insgesamt sehr fruchtbar, wie Niklas Weidmann, Mitgründer und Managing Director von Tilla und Matthias Blöte, Director Corporate Development bei Döhle, im Interview mit der HANSA erläutern. Sie sprechen über Erfahrungswerte, die Findungsphase, die Produktentwicklung, Tramp-Schifffahrt »auf Steroiden« und weitere Pläne. Wie kam es zu d e r Zu s amme narb e it ? Blöte: Wir haben vor ungefähr zwei Jahren mit dem Team von Flagship Founders zusammengesessen. Der Kontakt kam über die Reederei Auerbach und dessen Chef Lucius Bunk, der auch Co-Gründer von Flagship Founders ist. In einer Art Workshop haben wir mehrere Tage operative Probleme in unserem Shipmanagement und Crewing diskutiert – immer vor dem Hintergrund: Aus welchen Lösungen für diese Probleme kann man möglicherweise ein Geschäftsmodell machen? Dann haben wir es Flagship Founders ein Stück weit überlassen, zu entscheiden, welches die vielversprechendste Idee ist. Interessanterweise haben wir uns relativ schnell auf das Thema Crewing und Crew Change gestürzt, obwohl wir alle von vornherein wussten, dass das auch das komplexeste Thema ist. Als der Plan für die Partnerschaft gefasst war, Niklas Weidmann, Co-Gründer und Managing Director von Tilla © Tilla Systems kam Niklas dazu und Tilla wurde gegründet. Dann haben wir uns auf den Weg gemacht, eine Lösung gemeinsam mit einem Start-up zu entwickeln. Weidmann: Ich habe zwar bisher wenig Vergleich, aber ich habe Döhle als sehr vorwärts denkende Firma wahrgenommen. Das hat mich schon überrascht und war sehr beeindruckend. Wir haben viel Autonomie und Vertrauen bekommen, um das Produkt mit allen relevanten Stakeholdern zu bauen und uns Feedback zu holen. Ich weiß nicht, ob das in der Reedereibranche so gang und gäbe ist. Blöte: Wir hatten die Vision, Kosten zu sparen sowie Prozesse zu verbessern und haben gesehen, dass wir die Komplexität schwer alleine meistern können, sondern externe Unterstützung brauchen. Und zwar von jemandem, der das intrinsisch treibt und daraus ein Geschäftsmodell für sich selbst macht. Ein Vorteil davon ist, dass wir in dem ganzen Prozess auch unsere eigenen Geschäftsprozesse hinterfragt haben. Dabei ist ein externer Blick sehr interessant. Wie lie f d a s ab ? Blöte: Es war und ist ein Prozess mit mehreren Schleifen, inklusive Produktentwicklung, Rücksprache mit Fachabteilungen, Nachbesserungen und Testphasen. Bei Tilla sind wir relativ schnell mit Tests im laufenden Betrieb live gegangen. Aus Sicht eines Start-ups: Findet man schnell eine gemeinsame Sprache mit einem Unternehmen, dass in einer eher traditionell arbeitenden Branche aktiv ist? Weidmann: Das kann man gar nicht so einfach beantworten. Ob Tilla Systems Die in Berlin ansässige Tilla Systems GmbH wurde 2021 vom Company Builder Flagship Founders um den Reeder und Auerbach-Chef Lucius Bunk gegründet, »um im ersten Schritt den Crew-Wechsel auf Handelsschiffen zu automatisieren und effizienter zu machen.« Ansatzpunkt war, dass das Crewing 50 % aller operativen Kosten eines Schiffes ausmache und die kleinteiligen, häufig noch manuellen Prozesse ebenso wie die Vielzahl an Stakeholdern »der perfekte Ausgangspunkt für eine digitale Lösung« seien. Dafür hat das Start-up eine Plattform mit intelligenter Datenanalyse entwickelt, die alle notwendigen Informationen, Parameter und Akteure an einer Stelle vereinen und direkt buchbare Empfehlungen für den bestmöglichen Ort und Zeitpunkt eines Crew-Wechsels geben will. Prozess- und Reisekosten sollen so erheblich reduziert werden. 26 HANSA – International Maritime Journal 03 | 2023

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Abstract: Döhle on new crewing paths with Tilla The German start-up Tilla Systems, founded by Flagship Founders, wants to take crew changes and soon crew management to a new level. The first customer, Hamburg-based shipping company Peter Döhle, is already using the platform extensively. How is the collaboration going ahead and what are the plans for the future? wir von Anfang auch die gleiche Sprache gesprochen haben? Wahrscheinlich eher nicht. Ich komme aus der Start-up-Szene. Die Schifffahrt war fern für mich, ich musste Crewing erst einmal verstehen. Im Nachhinein war es aber vielleicht ein Vorteil, dass man so ein bisschen naiv und auch mit frischen Augen draufschaut und einfach mal loslegt. Ein konkretes Beispiel, wo wir wahrscheinlich nicht die gleiche Sprache gesprochen haben, hatten wir gleich am Anfang: Wir haben einen sogenannten »Click Dummy« gebaut, um zu sehen, wie ein Produkt ganz am Ende aussehen könnte. Dabei haben wir groß gedacht, weil wir den gesamten Prozess integriert haben, inklusive Crew Change, Hafenagenten und Kommunikation auf der Plattform. Einige Projektteilnehmer haben dann angenommen, das wäre bereits das Produkt. Als wir den Prototypen dann im November 2021 gelauncht haben, war das entsprechend ein »Expectation-Management- Fail«: Der Prototyp war bei weitem nicht so umfangreich wie der Dummy. Das hätten wir vielleicht anders machen können und mehr betonen sollen, dass es sich um einen Click-Dummy handelt. Aber ansonsten sprechen wir die gleiche Sprache, bis heute, und hatten von Anfang an dieselbe Vision. Wurden die Erwartungen ansonsten erfüllt? Weidmann: Es hat ein bisschen länger gedauert als ursprünglich angenommen. Auf der einen Seite hat man die Schifffahrtsleute, die nicht wirklich wissen, wie lange es braucht, um eine Software zu entwickeln. Auf der anderen Seite die IT-Experten, die den Prozess und die Synergie-Möglichkeiten in einer Reederei nicht Flagship Founders Flagship Founders wurde im Jahr 2020 gegründet, als »der erste Company Builder, der sich auf maritime Technologien, Logistik und Schifffahrt konzentriert«. Die Auerbach-Reederei von Lucius Bunk ist Gründungsgesellschafter, strategischer Partner ist außerdem das Berliner Venture-Capital-Unternehmen rescape. Matthias Blöte, Director Corporate Development bei Döhle © Döhle Group kennen. Und dann setzt man sich irgendwelche Timelines und stellt irgendwann fest, dass es halt doch ein bisschen länger dauert. Aber mittlerweile haben wir ein Produkt, das Mehrwert liefert. Und wir sind trotzdem noch nicht an dem Punkt, an dem wir irgendwann sein wollen. Was ist dieser Punkt und wie ist der aktuelle Stand? Weidmann: Heute laufen alle Döhle-Schiffe in Bezug auf Crew Change über Tilla. Abgedeckt ist insbesondere die Flugbuchung, die wir automatisieren. Es gibt Funktionen wie ein »Realtime Rendering« von verschiedenen Reiseagenturen; der günstigste Tarif wird gewählt. Auch können bereits gebuchte Flüge umgebucht werden. Kürzlich haben wir auch den Bereich »Port Planning« aufgebaut. Das ist die große Vision von Tilla: Wir wollen datengetrieben sagen können, welcher Hafen der beste Standort für den jeweiligen Crew-Wechsel ist. Bisher ist das System sehr reise- und fluglastig. Crew Change ist aber mehr als die Flugreise. Es fängt bei der Personalplanung an und geht über die Hafenplanung für den Crew-Wechsel bis in die Umsetzung, inklusive Beauftragung von Hafenagenten, Rechnungswesen und Reporting. Das Hafenagentenmodul haben wir uns für dieses Jahr vorgenommen. Was ist aus Döhle-Sicht der nächste Schritt? Blöte: Das Ziel ist es, die gesamte Kommunikation in Richtung Hafenagentur usw. über Tilla laufen zu lassen. Das ist ein dickes Brett, es geht um Unmengen von E-Mails. Wir werden noch viel Gehirnschmalz in das Projekt stecken müssen. Aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Das war auch ein Lerneffekt bei uns: Eins nach dem Anderen. So eine Software-Entwicklung braucht Zeit. Wir sind stolz auf unsere Mitarbeiter, die parallel zu ihrer eigentlichen Crewing-Arbeit an der Entwicklung von Tilla mitgearbeitet haben. Das »dicke Brett« wäre dann der Übergang von Crew Change zu Crew Management, oder? Weidmann: Ja, das ist tatsächlich das große Ziel. Wir sind der Meinung, dass wir ein sehr spezifisches Problem gefunden haben, das heute noch nicht digital gelöst wird. Und dass wir viele HANSA – International Maritime Journal 03 | 2023 27

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