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HANSA 03-2022

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SCHIFFFAHRT | SHIPPING

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Lloyd’s Register hat in den vergangenen Jahren einige prestigeträchtige Aufträge für Neubauten im Markt für eisgängige Forschungsschiffe bekommen. Neben der chinesischen »Xue Long 2« (Doppel-Klasse mit CCS) im Jahr 2019, der »Nuyina« für die australische Antarktis-Behörde (2021) sowie der »Antarctica 1«, die 2024 von Chile in Dienst gestellt werden soll, gehört dazu vor allem »Sir David Attenborough« (Foto) für Großbritannien. Das Schiff hatte sich nach seiner Ablieferung von der britischen Werft Cammell Laird auf dem Weg in die Antarktis gemacht, wo ausgiebige Seeerprobungen anstehen. LR nimmt an den Eisversuchen teil, die Experten erhoffen sich dadurch nicht zuletzt Lerneffekte für künftige Projekte. © Jenna Plank, British Antarctic Survey (Eis-)Power vs. (Energie-)Effizienz Während es auf politischer Seite zuletzt etwas ruhiger um die arktische Schifffahrt wurde, gibt es im Neubaumarkt einige Entwicklungen – vornehmlich im Nischengeschäft. An einem Knackpunkt könnte für Reeder ein Kompromiss nötig sein. Von Michael Meyer Russland lässt sich nicht beirren. Zwar wartet Moskau seit Jahren auf den erhofften Durchbruch bei Transiten durch die Nordostpassage an der arktischen Küste des Landes. 80 Mio. t bis zum Jahr 2024 waren einmal als Zielmarke ausgegeben worden. Das Zwischenfazit fällt etwas ernüchternd aus: Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Atomagentur Rosatom, die auch den Schifffahrtsweg im Norden koordiniert, 34,85 Mio. t befördert – ein Plus von knapp 2 Mio. t im Vergleich zum Vorjahr. Die Anzahl der auf den Vorgaben des Polar Code ausgestellten Einfahrtgenehmigungen durch die russischen Behörden war von 72 im Jahr 2018 auf 414 im Jahr 2021 gestiegen. Die Behörde betonte bei der Präsentation der Zahlen den großen Sprung von den knapp 7,5Mio.t im Jahr 2016 und die Verdopplung seit 2018, vor allem dank den vielen LNG- Transporten von den Gasfeldern in der Arktis. Ob die 80 Mio. t bis 2024 und die geplanten 110 Mio. t bis 2030 erreicht werden können, ist aber unsicher. Zumal es sich bei dem Großteil der Transporte um Teiltransite und nicht um Komplettfahrten zwischen der Bering-See und Nordeuropa handelt. Die Teiltransite entfallen zum größten Teil auf LNG-Tanker, die die arktischen Rohstofffelder Russlands bedienen, beispielsweise durch die Reederei Sovcomflot (SCF). Der stellvertretende Premierminister Juri Trutnew sagte noch im Herbst, man wolle in der Saison 2022/2023 eine ganzjährige Öffnung des Seewegs angehen, zuletzt waren es neun Monate. Zu den wichtigsten ausländischen Nutzern gehört übrigens die chinesische Cosco-Gruppe, die immer wieder Heavylift-Schiffe dort fahren lässt. Für die großen Schifffahrtsmärkte Container und Bulk bleibt die Nordostpassage hingegen eine kleine Nische, zu unsicher sind die Navigationsbedingungen und zu groß das Risiko, die eng getakteten Fahrpläne nicht einhalten zu können, wenn das Wetter umschlägt. Das dürfte sich auch so schnell nicht ändern, auch wenn es immer mal wieder Initiativen seitens der Schifffahrtsbranche gibt. So hat sich der arabische Konzern DP World mit dem russischen Logistiker Fesco zusammengetan, um in einer Machbarkeitsstudie das Potenzial eines Container-Hubs in Wladiwostok zu untersuchen. DP World hatte auch schon mit Rosatom eine Vereinbarung für Analysen zur Nordostpassage geschlossen. Ausgang: offen. Vorhersagen sehr schwierig Das Wetter gibt auch den mit der Arktis betrauten Behörden zu denken. Auf der jüngsten Sitzung des Arctic Council, ein 2017 von Kanada, Dänemark, Finnland, Island Norwegen, Schweden, den USA und Russland eingerichtetes Forum, sagte Florence Fetterer vom US-Zentrum für Eis-Daten (CIRES), das Informationsdefizit zähle zu den größten Herausforderungen. Weil präzise Wettervorhersagen nur schwer möglich seien, könne der Schifffahrt auch kein präziser Rahmen vorgegeben werden. »Das Meereis ändert sich und Vorhersagemodelle können nicht Schritt halten«, hieß es. 22 HANSA – International Maritime Journal 03 | 2022

SCHIFFFAHRT | SHIPPING David Snider vom kanadischen Unternehmen Martech Polar sagte, dass Seeleute sich auf mitunter extreme Variabilität der Eisbedingungen einstellen müssten, da das Abschmelzen der Polkappen zu verschiedenen Entwicklungen führe. Dünneres und weniger kompaktes Eis könne beispielsweise eine größere Drift-Geschwindigkeit und dadurch ein größeres Schadensrisiko für Schiffe bedeuten. Nach Ansicht von Snider wäre ein ausgefeilteres Training für Seeleute sinnvoll. Ein weiterer Aspekt: Die von Russland freigegebene Saison. 2019 änderten sich die Regeln für die Schifffahrt, nachdem die Koordination zu Rosatom gewechselt war. »Die Folge ist eine längere Transitsaison und eine größere Vielfalt – weniger eisverstärkte und nicht eisverstärkte Schiffe – in der Gruppe der für die Nordostpassage zugelassenen Schiffe«, sagt Rob Tustin, North Asia New Construction Manager bei der Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register (LR). Für ihn gibt es durch den Wechsel zu Rosatom positive und negative Aspekte. Die Genehmigungsverfahren seien durch die neue Regulierung einfacher und transparenter: »Bis bis 2019 hatte die NSR-Verwaltung ihre eigenen Regeln, nach denen ein Schiff vor der Einfahrt untersucht werden musste – normalerweise in einem russischen Hafen.« Jetzt gibt es ein Online-Verfahren, bei dem das Schiff mit der Genehmigung direkt von einem beliebigen Hafen in die NSR einfahren kann. Zu den Änderungen gehört aber auch: »Bis 2020 war der Mindeststandard für die Eisverstärkung für Transiterlaubnisse höher als jetzt. Im Laufe der Zeit werden wir die potenzielle Folgen bei Klassebesichtigungen und Dockungen sehen – es ist aber noch zu früh, um irgendwelche Schlussfolgerungen über die Auswirkungen zu ziehen«, so der Arktis-Experte. Unterschätzung des Risikos Der Polar Code wird in der Regel als angemessen bewertet. Ein Problem ist aber, so ist des Öfteren von Behörden zu hören, dass Reeder und Seeleute die Komplexität und die Risiken von Eis-Passagen unterschätzen würden. »Der Code in seiner jetzigen Form ist ein guter und vernünftiger Rahmen. Das Hauptproblem ist die Umsetzung durch die Betreiber und die Erfahrung der Crew, die im Eis arbeitet«, meint auch Tustin. Abstract: (Ice) Power vs (Energy) Efficiency While the political and regulatory situation for Arctic shipping has recently become somewhat quieter, there have been some developments in ship technology – albeit mainly in niche markets. A compromise might be necessary for shipowners at one sticking point. It is not always easy to reconcile the requirements of ship designs for Arctic transits with general energy efficiency demands and questions of commercialisation. Die »Polarstern« im arktischen Eis Eines der Risiken in polaren Gewässern sei nicht der Betrieb im Eis, sondern im offenen Wasser zur Zeit der saisonalen Schmelze mit treibenden Eisstücken. Im offenen Wasser könne man zwar Geschwindigkeit aufbauen, aber wenn man dann auf Eis stößt, kann das der Schiffsstruktur sehr schaden. Frage der Kommerzialisierung Für Reeder schließt sich unmittelbar an die Beschäftigung mit der Witterung die Frage nach dem kommerziellen Sinn solcher Fahrten an. »Letztlich kann man nie zu 100 % wissen, was auf einen zukommt, das macht eine kommerzielle Rechnung sehr schwierig bis unmöglich«, sagt ein Reeder gegenüber der HANSA. Noch zu selten lassen sich besondere Prämien auf Charter- oder Frachtraten aushandeln, mit denen die Rentabilität solcher Transporte gesteigert werden könnten. Neben den deutlichen Mehrkosten für die nötige, umfangreichere Rettungsausrüstung spielt das Design der Schiffe dabei eine Rolle. Da gibt es widersprüchliche Anforderungen, ausgelöst durch den Fokus auf Energieeffizienz. »Für Schiffe, die normalerweise auf offener See und saisonal in der Arktis eingesetzt werden, das heißt während der Sommersaison mit minimaler Eisbedeckung, sind die widersprüchlichen Anforderungen an die Energieeffizienz © AWI auf offener See einerseits und die Anforderungen an Leistung, Betriebsfähigkeit und Eignung für die Eisschifffahrt andererseits immer schwieriger in Einklang zu bringen«, sagt Tustin. Gegenwärtig gibt es etwa eine Flotte speziell gebauter, hochspezialisierter Schiffe für den langfristigen Einsatz in diesen Fahrtgebieten – besagte LNG- Tanker. Sie haben ein um etwa ein Drittel höheres Stahlgewicht und eine höhere installierte Leistung für den Betrieb im Eis. Aber entsprechend erhöhen sich auch der Baupreis und die Betriebskosten. »Es ist wirklich schwierig, ein kommerzielles Schiff zu bauen, das in arktischen Gewässern profitabel eingesetzt werden kann«, sagt der LR-Manager. Mehr Erfahrung nötig Diese Lücke weitet sich sogar noch, da von politischer Seite ein immer größerer Fokus auf Energieeffizienz und Verbrauch gelegt wird, also auf Schiffsdesign im »Energy Efficiency Design Index« (EEDI) oder im »Energy Efficiency Design Index for Existing Ships« (EEXI). Die große Herausforderung besteht also darin, ein optimales Gleichgewicht zwischen der Leistung im offenen Wasser und der Navigation auf dem Eis zu erreichen. Im Schiffsdesign gibt es seiner Ansicht nach dementsprechend eine Menge zu tun: »Alle derzeitigen russischen Shuttle- Schiffe haben einen eisbrechenden Bug und ein eisbrechendes Heck. Ein weiterer Bereich ist die Leistungsstärke. Gegenwärtig haben viele dieser Schiffe zwei oder sogar drei Pods. Die Frage ist: Gibt es ein weniger kompliziertes und kostengünstigeres Antriebssystem?« Ein weiterer Punkt sei die mangelnde Erfahrung mit sehr großen Schiffen und das Fehlen von Belastungsmessungen für große Schiffe unter polaren Bedingungen. »Wenn man ein besseres Verständnis des Eisdrucks sowie der optimalen Materialien und des strukturellen Designs für diese Belastungen erlangen könnte, könnten die Regeln verbessert werden«, sagt Tustin. HANSA – International Maritime Journal 03 | 2022 23

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