SCHIFFFAHRT | SHIPPING 5 Fragen an ... Paulo d’Amico, Chairman des Branchenverbands Intertanko, in dem 192 Reedereien mit insgesamt 4.088 Tankern vertreten sind »Hoffentlich mehr Verschrottungen« Wie würden Sie den Zustand der Tankerindustrie beschreiben und was ist die größte Herausforderung für 2021? Der Zustand der Branche ist aufgrund der Folgen von Covid-19 extrem herausfordernd. Die schwimmende Lagerung löst sich auf, und mehr Schiffe kommen auf den Markt. Wir haben also ein wachsendes Angebot mit einer Nachfrage, die immer noch durch die Pandemie gelähmt ist. Die größte Herausforderung ist eindeutig der Zustand des Marktes, der so lange anhalten wird, bis wir von den verschiedenen Lockdowns befreit sind und die Leute wieder zu reisen beginnen. Es ist zu hoffen, dass die Zahl der Abwrackungen für die alten Schiffe, die offen gesagt keinen Grund mehr zum Fahren haben, stark zunehmen wird. Welche Auswirkungen hat die Covid-19-Pandemie bisher? Die bisherigen Auswirkungen waren dank der Einrichtung von schwimmenden Lagern zunächst positiv, aber jetzt erleben wir den umgekehrten Prozess, und deshalb zahlen wir alles, was am Anfang verdient wurde, jetzt zurück. Erwarten Sie eine (weitere) Konsolidierung des Marktes, sei es durch Fusionen und Übernahmen oder das Auftreten neuer Akteure? Eine weitere Konsolidierung ist möglich, denn es gibt sowohl die Akteure, die konsolidieren wollen, als auch die, die konsolidiert werden wollen. Ich würde eher sagen, dass es sich um einen Trend handelt, der von den Marktkräften angetrieben wird, als um eine Notwendigkeit zur Konsolidierung. Wie wird sich die Tankerflotte in den kommenden Monaten und Jahren verändern? Es ist schwierig, die Größe der zukünftigen Tankerflotte zu definieren. Wir treten in eine Zeit der starken Energiewende ein, die nicht nur die Kraftstoffe, die wir verwenden werden, sondern auch die Ladungen, die wir transportieren müssen, verändern wird. In Anbetracht dieses Wandels ist für die Zukunft eine jüngere Flotte zu erwarten. Wie sieht die Agenda von Intertanko für die nun kommenden Monate aus? In nächster Zeit werden wir sicherlich das Problem des Besatzungswechsels auf die eine oder andere Weise lösen müssen. Intertanko und andere Schifffahrtsverbände drängen darauf, Seeleute als Schlüsselkräfte anzuerkennen und damit das Ein- und Ausschiffen sowie den Zugang zu den Impfstoffen zu erleichtern. Aber ich glaube, der wichtigste Punkt ist für Intertanko, wie auch für andere Verbände, die Dekarbonisierung, obwohl es noch viel Verwirrung darüber gibt, wie das geschehen soll. © D’Amico 32 HANSA – International Maritime Journal 03 | 2021
SCHIFFFAHRT | SHIPPING Gastkommentar: Alexander Geisler – Geschäftsführer Zentralverband Deutscher Schiffsmakler (ZVDS) Wer Wasserstoff will, braucht auch Tanker! Warum sich Deutschland eine Wasserstofftanker-Flotte leisten sollte Alexander Geisler © ZVDS Vor einigen Tagen konnte man es wieder mal lesen, Japan meint es ernst mit dem Energieumschwung auf Wasserstoff. Bis zum Jahr 2050 rechnet Japans Regierung mit einem jährlichen Bedarf an Wasserstoff von ca. 20 Mio. t. Rund die Hälfte der Menge soll per Schiff eingeführt werden, denn der begehrte Stoff soll auch im Ausland produziert werden. Tanker werden dann unter anderem ein im Hafen von Kobe noch zu bauendes Terminal mit einer Braunkohlevergasungsanlage in Australien verbinden. Die Arbeiten an einem ersten Tanker haben bereits im letzten Jahr begonnen. Und Anfang Januar haben die Regierungen Australiens und Japans angekündigt, zusätzliche 358 Mio. $ für den Bau von weiteren Tankern bereitzustellen. Insgesamt sollen nach Angaben der Werft Kawasaki Heavy Industries bis zu 80 Einheiten gebaut werden, die dann jährlich bis zu 9 Mio. t Wasserstoff importieren. Es versteht sich natürlich von selbst, dass die Tanker alle auf japanischen Werften entstehen sollen. Dieser Schritt überrascht eigentlich wenig, denn die Umstellung auf Wasserstoff wird auch in Japan nur gelingen, wenn stabile Lieferketten etabliert werden können. Daher ist es auch richtig, dass die Regierungen Japans und Australiens in den Bau einer Tankerflotte investieren. Würde man dies nicht tun, drohen neue Abhängigkeiten und die dortigen maritimen Unternehmen würden den technologischen Anschluss in diesem Zukunftsbereich verlieren. Ein Schicksal, das im Zweifel der deutschen maritimen Industrie droht. Zwar ist schon jetzt klar, dass der benötigte Wasserstoff nicht vollständig in Deutschland produziert werden kann und bis zu 2/3 der benötigten Energiemenge auch in Zukunft importiert werden müssen. Aber während schon erste Finanzierungszusagen für Produktionsanlagen erfolgten, schweigt sich die Nationale Wasserstrategie über die Frage, wie der Transport von den geplanten Produktionsstätten, zum Beispiel aus Chile, erfolgen soll, erstaunlicherweise aus und beschränkt sich auf eine allgemeine Erwähnung von Pipelines und Tankern. Aussagen zu einem konkreten Förderprogramm für die hiesige maritime Industrie zum Bau einer solchen Flotte sucht man bis zum heutigen Zeitpunkt vergeblich. Stapellauf der »Suiso Frontier« in Japan Vielmehr sieht sich der Staat eher in der Rolle einer neutralen Normungsstelle für harmonisierte Vorschriftenwerke, auch für die Zulassung von Schiffen (!), oder als Mittelgeber für Förderprogramme zur Nutzung von Wasserstoff als Schiffsbunker. Man hofft wohl darauf, dass Japans Werften das Transportproblem durch das staatlich geförderte Bauprogramm für Deutschland gleich mit lösen werden. Das ist mehr als bedauerlich, denn auch in Deutschland wird die Umstellung auf Wasserstoff nur dann gelingen, wenn im Zuge der Importstrategie stabile Lieferketten aufgebaut werden können. Um Abhängigkeiten zu vermeiden und um zu vermeiden, dass die maritimen Unternehmen in Deutschland noch weiter technologisch abgehängt werden, wäre es sinnvoll gewesen, im Zuge der Importstrategie zur Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie über ein ähnliches Bauprogramm bei deutschen Werften nachzudenken, das auch die hiesigen Dienstleister einbindet. Die kommende Nationale Maritime Konferenz gibt die Chance, dieses Versäumnis zu korrigieren. © Kawasaki Heavy Indutries HANSA – International Maritime Journal 03 | 2021 33
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