SCHIFFFAHRT | SHIPPING Langer Kater für Tankerschifffahrt? Das vergangene Jahr war aufgrund der Auswirkungen von Corona-Pandemie und Ölfördermaßnahmen der OPEC-Organisation kein leichtes für die Tankerschifffahrt. Die Erholung wird wohl nur langsam verlaufen, meinen Marktbeobachter Der Reedereiverband Intertanko sieht zwar einige Ungewissheiten für die Branche – Stichwort Dekarbonisierung oder Corona –, so dass eine echte Prognose schwer fällt. Chairman Paolo d’Amico bewertet den Zustand der Tankerbranche gegenüber der HANSA aber insgesamt als »extrem herausfordernd« (siehe Interview). Eine Konsolidierung des Marktes sei denkbar, eine starke Zunahme der Verschrottung älterer Tonnage, für deren Weiterbetrieb es »offen gesagt keinen Grund« gebe, hält er für wünschenswert. Schon 2020 war ein schwieriges Jahr für die Tanker-Reedereien dieser Welt. Die US Energy Information Administration (EIA) schätzt, dass die weltweite Ölnachfrage um 8,9 % von 101,2 Mio. Barrel pro Tag auf 92,2 Mio. bpd gesunken ist. Peter Sand, Chief Shipping Analyst bei der Schifffahrtsorganisation Bimco geht – gemessen in Tonnenmeilen – von einem Nachfragerückgang in den Sektoren Rohöl- und Produktentanker um 9,2 % und 6,3 % aus. »Nach dem Boom auf dem Ölmarkt war eine Pleite für die Öltankschifffahrt unvermeidlich, da die Reise- Abstract: Long hangover for tanker shipping? und Wirtschaftstätigkeit eingeschränkt war, aber das Ausmaß des Schocks war unbekannt. Rückblickend war der Schaden für die Tankschifffahrt insgesamt nicht so groß wie der Schaden für die weltweite Ölnachfrage«, sagt Sand. »Schmerzhafte Erholung« Ein profitables Ergebnis für die Tankschifffahrt ist in seinen Augen nicht in Sicht, da erwartet wird, dass sich die globale Ölnachfrage nur langsam erholen wird. Die EIA prognostiziert, dass sie erst im dritten Quartal 2022 wieder das Niveau vom Ende des Jahres 2019 erreichen wird. »Die OPEC wird weiterhin Millionen Barrel pro Tag an Produktion kürzen, und es ist unwahrscheinlich, dass die Nachfrage in der Tankschifffahrt einen positiven Schock erleben wird«, so der Bimco-Experte Sand weiter. Dies werde dazu führen, dass die Erträge unter dem Break-even-Niveau bleiben, es sei denn, das OPEC+-Bündnis bricht wieder auseinander. »Die Öltanker sehen einer langsamen, ungleichmäßigen und unsteten Erholung entgegen, da die Reisebeschränkungen The past year was not an easy one for the tanker market, due to the effects of the Corona pandemic and oil production measures by the OPEC organisation. The recovery is likely to only proceed slowly, market observers say. The weak outlook for oil trading and the possible influx of tonnage from floating storage suggest that recovery will depend on the level of scrapping. Industry association Intertanko also hopes for more demolition. dank neuen Virusmutationen weltweit verschärft werden, auch wenn links, rechts und in der Mitte Impfstoffe ankommen«, meint Sand. Auch das Beratungsunternehmen Drewry geht von einer »langen und schmerzhaften Erholung« aus. Angesichts rückläufiger Verschrottungszahlen und einer wachsenden Flotte scheint die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Rohöltankermarkt schwierig. »Die schwachen Aussichten für den Ölhandel und der mögliche Tonnagezufluss aus der schwimmenden Lagerung lassen vermuten, dass eine Erholung vom Ausmaß der Verschrottungsaktivitäten abhängt. Da die Flotte jedoch sehr jung ist, ist ein schnelles Rebalancing nicht möglich, ohne dass das durchschnittliche Abwrackalter unter 20 Jahre sinkt«, lautet die Einschätzung von Rajesh Verma, Lead Analyst, Tanker Shipping bei Drewry. Für etwa 81 Großtanker der VLCC- Klasse stehen bis Ende 2022 die vierten oder fünften Special Surveys an, während 102 VLCCs in diesem Zeitraum abgeliefert werden sollen. Von den 81 VLCCs lagern 23 Öl, neun sind mit Scrubbern und Ballastwassersystemen ausgestattet. »Wenn wir annehmen, dass alle Schiffe ohne Scrubber/BWTS vor dem vierten oder fünften Special Survey verschrottet werden, wird die VLCC-Flotte bis 2022 noch um etwa 30 Schiffe auf 863 anwachsen. Bis zur Rückkehr der Ölnachfrage auf das Niveau von 2019 (im besten Fall bis 2022) wird die VLCC-Flotte also von 804 Schiffen Ende 2019 um 59 Schiffe oder 6,7% wachsen«, meint Verma. MM © Selzer 30 HANSA – International Maritime Journal 03 | 2021
SCHIFFFAHRT | SHIPPING in cooperation with China dominiert Tanker-S-&-P-Markt Der jüngste Ölpreiskrieg hatte die Tankerfrachtmeilen im Jahr 2019 bis Mai 2020 hoch gehalten. Nach dem Höchststand im Mai kam der Abschwung mit dem Ende der letzten Runde der OPEC+ Kürzungen – wie von vielen Experten vorhergesagt. Es dauerte bis November 2020, bis die Nachfrage wieder anstieg. Betrachtet man den Tanker-S&P-Markt in Bezug auf die Anzahl der Schiffe und die Ausgaben, so verzeichnete der Markt nach Januar 2020 eine Delle. In der zweiten Jahreshälfte nahm das Interesse wieder zu und erreichte im Oktober mit einem Gesamtausgabenwert von 1,12 Mrd. $ für 49 Schiffe seinen Höhepunkt. In den letzten 12 Monaten war China das Land, das am meisten Tanker kaufte (54 Schiffe, 1,41 Mrd. $), gefolgt von Griechenland (50 Schiffe, 1,37 Mrd. $), den Vereinigten Arabischen Emiraten (29 Schiffe, 487 Mio. $) und Singapur (25 Schiffe, 263 Mio. $). ICBC Financial Leasing führt die Liste der Top-Tankerkäufer des vergangenen Jahres an und kaufte zehn Schiffe im Wert von 651 Mio. $. Betrachtet man die Plätze 2 und 3 in Bezug auf die Anzahl der Schiffe, so ist die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Schiffe und dem Wert erheblich: Waruna Nusa Sentana kaufte sieben Schiffe im Wert von 69 Mio. $, De Poli Tankers kaufte ebenfalls sieben für 45 Mio. $. Während Euronav bei der Anzahl der Schiffe auf Platz 6 liegt, belegt das belgische Unternehmen beim Einkaufswert den zweiten Platz (391 Mio. $ für fünf Schiffe). HANSA – International Maritime Journal 03 | 2021 31
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