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HANSA 02-2022

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SCHIFFFAHRT | SHIPPING

SCHIFFFAHRT | SHIPPING Piraten-Prozesse rücken in den Fokus Entwarnung wollen die internationalen Experten nicht geben, ein positives Signal ist es aber dennoch: Die weltweite Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle auf See sind auf den niedrigsten Stand seit 1994 gesunken. Von Michael Meyer Das geht aus dem jüngst veröffentlichten Jahresbericht des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB), einer Einheit der Internationalen Handelskammer (ICC), hervor. Trotz der positiven Bilanz mahnt das IMB allerdings weiterhin zur Vorsicht. Die Experten führen den Rückgang der Vorfälle auf das entschlossene Vorgehen der Behörden zurück und fordern gleichzeitig, diese Koordinierung und Wachsamkeit fortzusetzen. Im Jahr 2021 erhielt das IMB Piracy Reporting Centre 132 Meldungen zu Angriffen von Piraten und bewaffneten Raubüberfällen. Die Vorfälle umfassten 115 Schiffe, die geentert wurden, elf versuchte Angriffe, fünf Schiffe, die beschossen wurden, und eine Kaperung. Die deutsche Flotte gehört im Übrigen mit 17 Vorfällen zu den »beliebtesten Zielen« (s. Seite 29). Golf von Guinea bleibt Hotspot Die verstärkte Präsenz internationaler Marineschiffe und die Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden haben sich positiv ausgewirkt. Gelobt wird das robuste Vorgehen der dänischen Marine bei der Neutralisierung einer mutmaßlichen Piratengruppe Ende November. Auf diese jüngste Entwicklung, bei der das dänische Kriegsschiff »Esbern Snare« die nach einem Schusswechsel festgenommenen Männer wieder freigelassen hatte, geht das IMB nicht explizit ein. Die militärische Komponente der Pirateriebekämpfung vor Westafrika ist seit Jahren umstritten, eine internationale Mission nach Vorbild von »Atalanta« vor Somalia gilt nach wie vor als unwahrscheinlich, zu groß sind die Bedenken und Souveränitätsbestrebungen der Anrainerstaaten. Der Rückgang der global gemeldeten Vorfälle ist dennoch auf den Golf von Guinea zurückzuführen, wo die Zahl von 81 im Jahr 2020 auf 34 im Jahr 2021 sank. Obwohl die Entführungen auf See um 55 % zurückgingen, ist der Golf von Guinea mit 57 entführten Besatzungsmitgliedern in sieben separaten Fällen weiterhin für alle Entführungen verantwortlich. Bemerkenswert: Kein einziger der Kidnapping-Fälle ereignete sich in nigerianischen Gewässern. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Angreifer sehr wohl von dort stammen – angesichts des größeren Risikos in den »eigenen« Gewässern weichen sie jedoch zunehmend nach Westen und Osten aus. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich die Vorfälle Abstract: Pirate trials come into focus in Gulf of Guinea International experts decline to give the »all-clear«, but it is still a positive signal: Worldwide piracy and armed robbery at sea have fallen to their lowest level since 1994. In the Gulf of Guinea in particular, there were significantly fewer incidents in 2021. In West Africa, trials against pirates are increasingly coming into focus. 100 % aller 57 Kidnapping-Fälle entfielen 2021 auf Westafrika 0% davon entfielen auf die Gewässer von Nigeria im Golf von Guinea zunehmend auf verschiedene nationale Gewässer und Offshore-Gebiete verteilen. Das IMB mahnt Besatzungen, die diese Gewässer befahren, zur Vorsicht, da das Risiko hoch bleibe. Ein Beispiel dafür war die Entführung von sechs Besatzungsmitgliedern eines Containerschiffs Mitte Dezember. Appell an Küstenstaaten Dänemark lässt Piraten frei Das IMB lobte das entschlossene Handeln der internationalen Seestreitkräfte und der regionalen Behörden. IMB-Direktor Michael Howlett forderte allerdings gleichzeitig die Anrainer auf, »ihre Zusammenarbeit und physische Präsenz in ihren Gewässern zu verstärken, um eine langfristige und nachhaltige Lösung zur Bekämpfung von Seepiraterie in der Region zu gewährleisten.« Einen kleinen Rückschlag könnten die politischen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft hingegen ausgerechnet aus Dänemark bekommen – von jener Regierung, die seit längerem vehement internationale Marine-Einsätze im Golf von Guinea fordert. Kopenhagen hat nämlich die Anklage gegen drei der vier auf der »Esbern Snare« festgehalten Piraten fallen gelassen. Ob dies – und vor allem die Begründung – ein abschreckendes Beispiel werden könnte, ist noch nicht abzusehen. Zu allzu großem Enthusiasmus dürfte die Maßnahme unter ohnehin schon skeptischen Regierungen jedenfalls nicht führen. Justizminister Nick Hækkerup bestätigte: Die drei Piraten werden nicht zur Strafverfolgung nach Dänemark gebracht. Sie sollten wegen versuchten Totschlags durch Schüsse auf dänische Soldaten angeklagt werden. Weil sie aber nicht für ein Verfahren in Westafrika ausgeliefert werden konnten, wurden sie freigelassen. Die dänische Regierung will keinen Präzedenzfall schaffen. Die Männer waren Ende November nach einem Schusswechsel auf See festgenommen worden. Eine Anklageerhebung hätte ein Strafverfahren in Dänemark und die Überstellung der Personen bedeutet, da ein Angeklagter in einem Fall von versuchtem Totschlag während vor Gericht anwesend sein muss. Die drei mutmaßlichen Piraten hätten jedoch keine Verbindung zu Dänemark, die ihnen vorgeworfene Tat fand weit entfernt von Dänemark statt, »und es besteht keine reale Aussicht, dass die betreffenden Personen nach Dänemark kommen, es sei denn, sie werden im Rahmen des Strafverfahrens hierher gebracht.« Hækkerup betonte: »Dies ist ein sehr ungewöhnlicher Fall, bei dem zusätzlich zu den Erwägungen, die normalerweise für die Beurteilung eines Strafverfahrens ausschlaggebend sind, eine Reihe weiterer Überlegungen berücksichtigt werden müssen. Wir haben kein Interesse daran, die betreffenden Personen nach Dänemark zu bringen, wo sie eine mögliche Strafe verbüßen 28 HANSA – International Maritime Journal 02 | 2022

SCHIFFFAHRT | SHIPPING müssten und wo wir außerdem riskieren, dass sie danach nicht abgeschoben werden können.« Die Männer gehörten »einfach nicht hierher. Deshalb halte ich es für richtig, das so zu tun.« Eine solche Entwicklung könne einen Anreiz für andere schaffen, Straftaten zu begehen, um in Dänemark strafrechtlich verfolgt zu werden, »was die Fähigkeit Dänemarks, sich an internationalen Operationen wie der vorliegenden zu beteiligen, in Zukunft erheblich schwächen könnte.« Signal an organisierte Kriminalität Außenminister Jeppe Kofod sagte: »Es ist klar, dass die Regierung eine lokale Lösung bevorzugt hätte, aber leider war es nicht möglich, die mutmaßlichen Piraten an Länder in der Nähe auszuliefern.« Verteidigungsministerin Trine Bramsen ergänzte, der dänische Beitrag im Golf von Guinea erfülle eine wichtige Aufgabe für die Freiheit der Schifffahrt. »Es besteht kein Zweifel daran, dass wir mit der Präsenz von ›Esbern Snare‹ bereits ein sehr deutliches Signal an die organisierte Kriminalität gesendet haben, die hinter Geiselnahmen und anderen Angriffen auf Handelsschiffe in diesem Gebiet steckt.« Aus der internationalen Reederschaft gab es in puncto »kein Zweifel« Zustimmung. Aber der Verband europäischer Reeder ECSA betonte: »Der jüngste Vorfall zeigt jedoch, dass weitere Maßnahmen erforderlich und dass die Anwesenheit von Marineeinheiten von entscheidender Bedeutung sind.« 80% von Piraterie & bewaffneten Überfällen in 2021 betreffen zehn Länder Gabun 4 Sao Tome & P. 5 Ghana 5 Nigeria 6 Indonesien 9 Peru 18 Philippinen 9 Kolumbien 6 Equador 4 Straße von Singapur 35 65% der Vorfälle betreffen Schiffe, die aus fünf Ländern kontrolliert werden Dänemark 10 Indien 8 Ein Pirat wird angeklagt Der letzte der vier mutmaßlichen Piraten war aufgrund seiner beim Schusswechsel erlittenen Verletzungen in ein Krankenhaus in Ghana eingeliefert worden. Es gab allerdings keine Aussicht auf seine Freilassung in der unmittelbaren Umgebung gemäß den internationalen Verpflichtungen Dänemarks. Es war nach Angaben der Regierung in Kopenhagen auch nicht möglich, eine Vereinbarung über seinen Verbleib in Ghana mit ausreichenden Garantien für seine Zukunft zu treffen, er kommt daher nach Dänemark. Justizminister Hækkerup sagte dazu: »In Anbetracht der internationalen Verpflichtungen Dänemarks und des Gesundheitszustands des mutmaßlichen Piraten wurde festgestellt, dass es keine andere Möglichkeit gab, als ihn nach Dänemark Deutschland 17 Singapur 23 Griechenland 27 © IMB / HANSA HANSA – International Maritime Journal 02 | 2022 29

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