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HANSA 01-2017

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Schiffstechnik | Ship

Schiffstechnik | Ship Technology Biomimetische Ansätze im Schiffsentwurf Viel länger schon als Schiffe bewegen sich Tiere im Wasser fort – perfekt angepasst an ihren Lebensraum. Nicht nur Formen, auch Fortbewegungsmethoden oder Oberflächen sind für Schiffauer einen Blick wert, schreibt Hans Payer Mit Beobachtungen und Messungen der Natur hat der Mensch viele Gesetzmäßigkeiten der Natur erkannt und verstehen gelernt. Menschen haben andererseits von der Natur stets auch vieles direkt abgeschaut. Dazu gehört vor allem das Verhalten der Tiere als Vorbild. Als in den 1960er Jahren das erste Großraumflugzeug Boeing 747 geplant und konstruiert wurde – ein gewaltiger Größenschritt von den damals üblichen Passagierflugzeugen – hatten die Ingenieure unter anderem Naturbeobachtungen an Wildenten gemacht und sich einiges für ihre neuen Flugzeuge vor allem beim Starten und Landen von den Tieren abgeschaut. Delfine und Haie als Vorbild Für den Schiffauer sind Schwimmverhalten und der Schiffswiderstand im Wasser von zentralem Interesse. Auch hier hat der Mensch von Fischen, Walen, Robben und anderen Wassertieren stets viel gelernt. Der Widerstand eines Schiffes ist ein entscheidender Faktor für die Betriebskosten und die Wirtschaftlichkeit. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Schiffauer besonders mit dem Wellenwiderstand von Schiffen befasst. Mit experimentellen und analytischen Methoden wurde viel erreicht. Heute befassen sich manche Forscher mit Möglichkeiten, speziell den Reibungswiderstand von Schiffen, der mehr als 50% des Gesamtwiderstands betragen kann, zu reduzieren. In Zeiten teuren Treibstoffs und auch einer gewissen Überkapazität der Welttonnage haben sich viel Abstract: Biomimetic approaches in ship design fach langsamere Reisegeschwindigkeiten – »slow steaming« – durchgesetzt. Dabei nimmt der Anteil der Reibung am Gesamtwiderstand jedoch noch prozentual zu. Mit den heutigen Experimentier- und Messmethoden können wir auch dafür einiges von den Tieren übernehmen. So wissen wir heute, dass der spezielle Aufbau der Haut von Delfinen mit einer festen und biegesteifen Epidermis, getragen von einer ca. 30 mm dicken Fettschicht mit besonderen visco-elastischen Eigenschaften bei schneller Reisegeschwindigkeit des Delfins zu einer bedeutenden Verzögerung des Übergangs von laminarer zu turbulenter Strömung führen kann. Da der Widerstand bei laminarer Strömung bedeutend geringer ist als bei turbulenter, kann dies eine signifikante Reduktion des Gesamtwiderstands bewirken. Es können heute polymere Anstriche hergestellt werden, die ähnliche Eigenschaften besitzen wie die Haut des Delfins Marine animals are adapted perfectly to their wet habitat. Ship designers can learn a lot, not only from looking at shapes, but also from modes of locomotion and surface textures. Soft dolphin skin can sgnificantly delay transition times between laminar and turbulent flow, while textured shark skin reduces friction by positively affecting turbulent flow. Pneumatic articficial muscels provide benefits due to their low weight and small size. Looking at bacteria, the flagella propulsion mechainism of some species might be a good idea for unmanned underwater drones. A streamlined body shape is considered ideal for forward movement in water, but what about fast changes of speed and direction? A new approach looks at animals that can adapt their shape and extremities for a more effcient locomotion. Further information: redaktion@hansa-online.de Eine der Haut von Haien nachempfundene »Riblet«-Struktur senkt den Strömungswiderstand Quelle: IFAM und so – als Außenanstrich von Booten und Schiffen – ebenfalls zu Verschiebungen der Transitzone von laminarer zu turbulenter Strömung nach hinten führen. Wie Delfine zeigen auch Haie erstaunliche Schwimmleistungen. Hier ist die äußere Haut der Tiere rau, mit einer besonderen, gleichmäßigen »Riblet-Struktur«, feinen Rillen parallel zur Strömungsrichtung. Ähnlich wie laminare Strömung hat auch turbulente Strömung eine Haupt- Strömungsrichtung. In turbulenter Strömung sind der Längsströmung jedoch oszillierende Querströmungen überlagert. Direkt an der Wandung entstehen Schlieren, die als gegenläufige Vortices betrachtet werden können. Theoretische und experimentelle Detailuntersuchungen haben gezeigt, dass die Riblet-Struktur der Oberfläche die Längs- und Querkomponente der turbulenten Strömung unterschiedlich beeinflusst. Die Querströmung, die vorwiegend für die Zunahme des Reibungs- Widerstands verantwortlich ist, ist durch die Riblets stärker beeinflusst, ihr Entstehungspunkt ist weiter von der Wand entfernt. Das bedeutet, dass weniger Reibung an die Wand abgegeben wird. Der optimale Abstand der Riblets hängt etwas vom Strömungszustand (Reynolds Zahl) ab, die optimale Höhe entspricht ungefähr der Hälfte dieses Abstands. Für einen 8 m langen Schwimmkörper in Wasser mit einer Geschwindigkeit von 10 m/s (entsprechend Re 8*107) liegt das optimale Riblet-Intervall bei 50 µm mit einer Höhe von 25 µm. Mit polymerem Außenanstrich, der mit einem speziellen Riblet- 60 HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 1

Schiffstechnik | Ship Technology Farbenapplikator aufgetragen wird, kann eine solche Riblet-Struktur nachgebildet werden. In Versuchen in der Testanlage HYKAT der Hamburgischen Schiffau- Versuchsanstalt (HSVA) einmal mit Riblets, einmal ohne, konnte gezeigt werden, dass der Reibungswiderstand bei höheren Reynolds Zahlen um mehr als 5% reduziert werden kann. Dieses Verfahren wurde bereits im Flugzeugbau und bei Windgeneratoren genutzt, neuerdings findet es auch im Schiffau verstärkt Interesse. In allen Fällen konnten Widerstandsreduktionen von 5–8% nachgewiesen werden. Die Hauptschwierigkeit beim Einsatz von Riblet-Strukturen auf Schiffen ist das Vermeiden von Bio-Bewuchs, der sich gerne an den feinen Strukturen festsetzt und sie schnell abdeckt. An diesem Problem wird mit verschiedenen Biozid-freien Ansätzen gearbeitet. Neuartige Reinigungsmethoden, wie z.B. Kavitationsreinigung, sind vielversprechend. Künstliche Muskeln Ein weiteres Beispiel für Bio-Inspiration in der Schiffstechnik sind Überlegungen und Untersuchungen zu den Möglichkeiten, künstliche pneumatische Muskeln – Pneumatic Artificial Muscles, PAM – z.B. für den Antrieb von Rudern einzusetzen. Als Vorteil wird die hohe Leistungsfähigkeit bei geringem Gewicht und geringem Platzbedarf hervorgehoben. Typische Anwendungen findet man bei Bio-Robotern und bei medizinischen, industriellen und Aerospace-Anwendungen. Im Schiffsentwurf werden PAM nun für den Antrieb von Rudern für Boote und kleinere Schiffe vorgeschlagen. PAMs werden dabei sowohl senkrecht zur Ruderachse vorgesehen, als auch koaxial integriert im Ruderkörper. Die Ruderbewegung wird durch ein Kegelradgetriebe in der Ruderachse erzeugt. Durch pneumatische Muskeln im Ruderkörper wird das große Kegelrad über einen Hebel verdreht und treibt das kleine Kegelrad, das mit der Ruderachse und dem Ruderkörper fest verbunden ist, so an, dass das Ruderblatt bis zum maximalen Ausschlagwinkel in beide Richtungen gedreht wird. Symmetrische Ruderbewegungen werden durch den Einsatz eines Muskelpaars erreicht. Bei jeder Ruderbewegung ist einer der beiden agnostisch, also aktiv, der andere wirkt antagonistisch diesem entgegen und sorgt so für die genaue Steuerung des Ruders. Die Ruderbewegungen werden mit servopneumatischen Miniaturventilen gesteuert. Die Kontrolle des Rudersystems kann über speziell gebaute Kontroll-Panele vom PC oder Laptop aus erfolgen. Positionsund Drucksignale von dem künstlichen Muskelsystem und den Steuerventilen werden kontinuierlich erfasst, verarbeitet und an die Steuervorgaben angepasst. Drohnen nach Flagella-Prinzip Ferngesteuerte, unbemannte Unterwasserfahrzeuge verschiedenster Art werden vor allem in der Offshore-Industrie, zur Inspektion oder bei großen Wassertiefen verwendet. Ein neuartiges autonomes Unterwasserfahrzeug wird nun in Anlehnung an bakterielle Lebewesen, die sich durch meist gegenläufige Rotation von Körperteilen (Flagellum) fortbewegen, entwickelt. Ein Prototyp, bestehend aus gegenläufigem Vorder- und Hinterteil mit Spiralschraube und einem Mittelstück, wird zur Zeit an der Universität von Riga sowohl als physisches Modell als auch als Computersimulation untersucht. Versuche und Simulation zeigen gute Korrelation und haben die Funktionalität, Manövrierfähigkeit und Energieeffzienz bewiesen. Dieses Antriebsprinzip, das in Microgrößen umsetzbar ist, kann viele Anwendungen finden, von freien Tauchgeräten, zur Kontrolle von Rohrleitungen bis hin zur Untersuchung von Blutgefäßen. Bio-Inspirierte Kraftverstärkung Pneumatische »Muskeln« als Ruderantrieb Wassertiere erzielen bemerkenswerte Erfolge bei Vortrieb und Manövern durch plötzliche Körperveränderungen, die unstete Flüssigkeitskräfte erzeugen. An der University of Southampton werden Untersuchungen an getauchten Körpern, deren Geometrie stark verändert werden kann, durchgeführt. Dies umfasst plötzliche Änderungen des Anströmwinkels eines Tragflügels für einen Notstop, oder Tandem-Anordnung von mehreren Tragflügeln zur Erhöhung von Wirkungsgrad und Antriebskraft, bis hin zu computergesteuerten Formänderungen wie z.B. plötzliches Schrumpfen des Vorderteils eines Ellipsoids beim Schnellstart mit drastischer Verringerung des Widerstands. Beobachtungen an Tintenfischen haben gezeigt, dass bei ihrer unsteten Antriebsmethode die Wirbelerzeugung durch die Anpassung der Bewegung und der Form ihres Körpers an den Zustand der Umströmung optimiert wird. Tiere können durch die gezielte Veränderung des Strömungskörpers genau zur richtigen Zeit und am rechten Ort Extra- Wirbelbildungen erzeugen. Daraus lassen sich Verfahren zur kurzzeitigen Verbesserung von Extrem-Manövern auch für andere Schwimmkörper ableiten. M Quelle: Enrico Ravina HANSA International Maritime Journal – 154. Jahrgang – 2017 – Nr. 1 61

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